Und ewig grüßt der Bayern-Dusel
Lewandowskis Tor in der 96. Minute rettet den Rekordmeister vor Pleite in Berlin – „Aber das sind die Bayern“
BERLIN (SID/dpa/sz) - Hertha Trainer Pal Dardai konnte es immer noch nicht ganz verstehen: „Ein bisschen böse bin ich schon, dann müssen auch sechs Minuten angezeigt werden. Ein Tick Bonus für den Gegner.“So wie er sahen es nicht nur seine Spieler, sondern auch der überwiegende Teil der Fans im ausverkauften Berliner Olympiastadion. 95 Minuten hatte die Hertha wie der sichere Sieger gegen den FC Bayern München ausgesehen. Doch dann entschied Schiedsrichter Patrick Ittrich, es lief die Nachspielzeit der Nachspielzeit, auf Freistoß. Die Folge: Tor durch Robert Lewandowski, 1:1 (1:0) in der 96. Spielminute.
Fakt ist: Robert Lewandowskis Treffer nach 95:59 Minuten war das späteste Bundesliga-Tor seit detaillierter Datenerfassung. Dabei hatte der vierte Offizielle nach dem Ende der regulären Spielzeit mit seiner Tafel „nur“fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt. Auch Vedad Ibisevic, der mit dem 1:0 (21.) seine Torflaute nach 656 Minuten beendete, sprach hinterher von einem Bayern-Bonus: „Warum muss man fünf Minuten nachspielen und dann noch zwei oben drauf? Wo gibt es das sonst? Nur bei den Bayern!“Schon auf dem Platz hatte sich der Ärger der Herthaner entladen. Torhüter Rune Jarstein schoss nach dem Ausgleich den Ball an den Rücken von Xabi Alonso, woraufhin es zu heftiger Rudelbildung kam. „Das gehört sich nicht, das ist kein Fair Play“, kritisierte BayernTorhüter Manuel Neuer.
Der erneut schwache Weltmeister Thomas Müller konnte derweil über den angeblichen „Bayern-Bonus“nur lachen. „Hertha hat von Anfang an nur Zeitspiel gemacht“, sagte der Nationalspieler und spottete: „Sie sollen sich mal anschauen, wie viele Krämpfe es ab der 50. Minute gab bei einer Mannschaft, die keine englischen Wochen hat.“Und Kapitän Philipp Lahm wies die GlücksVorwürfe strikt zurück: „Bei anderen Teams heißt es, sie haben eine super Moral. Bei uns ist es der Bayern-Dusel.“Man habe auch in diesem Spiel auf schwierigem Boden – Hertha lässt erst in dieser Wochen den Rasen wechseln – gesehen, dass die Mannschaft alles gebe, bemerkte der Routinier auf Abschiedstour. Allerdings schloss Lahm auch an: „Wir müssen konstant auf hohem Niveau spielen und können uns nicht immer darauf verlassen, dass wir am Ende immer ein Tor schießen.“
Andere sprachen vom seit Jahren bekannten Bayern-Dusel, der 2017 zum Rekordmeister zurückgekehrt ist. Doch ob das nun der Bayern-Bonus, Dusel, Mentalität oder einfach nur Klasse ist, darüber wird noch lange heftig diskutiert werden.
Unbestritten ist, dass von der Gala-Form drei Tage zuvor in der Champions League gegen den FC Arsenal (5:1) das Münchner Starensemble weit entfernt war. Wieder einmal. Schon die Rückrundensiege gegen den SC Freiburg (2:1) und den FC Ingolstadt (2:0) hatten sich die Bayern mit ganz späten Toren mehr erarbeitet als erspielt.
Dieses Mal klappte es, auch weil Hertha die durchaus vorhandenen Chancen auf ein zweites Tor liegen ließ und Lewandowski wieder einmal goldrichtig stand. Während Müller seine Chance von Beginn an nicht nutzen konnte, glänzte Lewandowski als Joker. Erst als Ancelotti seinen besten Torschützen nach einer Stunde auf den Rasen schickte, erspielte sich der Tabellenführer immer mehr Ausgleichsmöglichkeiten. Mit seinem 16. Saisontreffer rettete der Pole die insgesamt schwachen Bayern vor der zweiten Ligapleite. „Ein wichtiger Punkt. Wir kämpfen immer bis zum Ende. Da versuchst du alles, was noch möglich ist. Adrenalin und Selbstbewusstsein gehen hoch. Die Fans werden noch länger darüber reden“, meinte der finale Torschütze.
Als sich die Gemüter dann wieder beruhigt hatten, stellte auch Dardai realistisch fest: „Es wäre nicht unverdient gewesen, wenn wir gewonnen hätten. Aber das sind die Bayern. Sie haben diese Kraft, dass sie in der Endphase da sind.“Und vielleicht ist genau das die Definition des BayernDusels; Kraft und Siegeswille, bis der Schiedsrichter abpfeift – egal in welcher Minute der Nachspielzeit.