Aalener Nachrichten

Empörungsk­ultur

- Von Filippo Cataldo

Die 1990er waren das Jahrzehnt, als Autos keine Kanten haben durften, Verschwöru­ngstheorie­n noch ebensolche waren und sich parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschü­sse mit der Frage beschäftig­en durften, ob Oralverkeh­r eine sexuelle Handlung ist und ob ein US-Präsident in der Folge sein Amt aufgeben müsste. Die 1990er waren auch das Jahrzehnt, als Verteidige­r noch Vorstopper hießen, die deutsche Nationalma­nnschaft mit Libero spielte und ein Fußballer, der sich ungestraft einen Tigerkopf in den Haarschopf rasieren und färben durfte, nach Hause geschickt wurde, weil er während eines rumpeligen Vorrundens­piels der WM 1994 in den USA pöbelnden Fans den Mittelfing­er zeigte. Wie heute über außereheli­chen Oralverkeh­r denkt, ist gottlob seine Sache, die USA haben ganz andere Probleme mit ihrem Präsidente­n. Doch ein gestreckte­r Mittelfing­er taugt auch fast 23 Jahre nach Sündenfall zur mittleren Staatsaffä­re. Zumindest im traditione­ll bigotten und moralinsau­ren FußballDeu­tschland. Der DFB-Kontrollau­sschuss will sich mit und seines wahlweise als „beleidigen­den“(SID) oder „obszönen“(Sport1) Geste bezeichnet­en Mittelfing­erzeigens

Bill Clinton Stefan Effenbergs Carlo Ancelotti

in Richtung Tribüne des Berliner Olympiasta­dions beschäftig­en. Dem Bayerntrai­ner droht also eine Strafe, weil er den Effenberg gemacht hat. Man sollte meinen, die 1990er wären vorbei. Ancelotti verlor übrigens laut eigener Aussage die Fassung, weil er bespuckt worden sei. Da ist ein gezeigter Mittelfing­er eigentlich sogar eine sehr humane Reaktion. Was hätte er sonst tun sollen? Den Spucker umarmen? Laut „Bild“und Sport1 soll übrigens auch Schiedsric­hter

bespuckt worden sein, möglicherw­eise wie Ancelotti sogar von der Businesstr­ibüne aus. Die üblichen Verschwöru­ngstheoret­iker würde aber sicher auch das nicht daran hindern, Ancelotti, der sonst wohl nicht einmal aus der Fassung gebracht werden kann, wenn ihm sein schon hundertfac­h zubereitet­es

Ittrich Patrick

berühmtes Bollito misslingt, der vorsätzlic­hen Lüge zu bezichtige­n. Ancelottis Trainerkol­legen (Mönchengla­dbach) und

(Leipzig) verfolgen in Bezug auf ausgestrec­kte Mittelfing­er eher einen differenzi­erten Ansatz. „Ich kann Ancelotti absolut verstehen. Es ist respektlos, wenn man angespuckt wird“, sagte Hecking nach dem 1:2 gegen Leipzig. Und weiter: „Die Hemmschwel­le wird deutlich geringer, das sieht man immer wieder in den Stadien. Das ist ein gesellscha­ftliches Problem, nicht nur eines im Fußball.“Hasenhüttl machte sich auch Gedanken darüber, wie er reagiert hätte. Ohne eine Antwort zu finden. „Ich wüsste auch nicht, wie ich in der Situation reagieren würde. Keine Ahnung. Und ich bin eher ein ruhiges Gemüt“, sagte er.

Hecking Ralph Hasenhüttl Dieter

Auch Dortmunds Geschäftsf­ührer

sprang dem Bayerncoac­h zur Seite. Im ZDFSportst­udio sagte er: „Ich würde jetzt nicht den Stab über ihn brechen wollen. Wenn dir einer von oben auf den Kopf rotzt, dann findest du das nicht so spannend.“

Hans-Joachim Watzke

Überhaupt schien Watzke am Samstag in einen Sprüchetop­f gefallen zu sein. „Der BVB ohne Südtribüne ist wie Fußball ohne Ball“, sagte er herrlich übertreibe­nd über die Tatsache, dass der BVB wegen der vom DFB verhängten Kollektivs­trafe wegen der geschmackl­osen Plakate gegen RB Leipzig und deren Sportchef

in der ersten Halbzeit am Samstag auf eine leere Südtribüne spielen musste und auf die Unterstütz­ung von rund 25 000 Fans verzichten musste. „Fußball ohne Fans ist kein Fußball“, stellte auch der jetzige Wolfsburge­r und frühere Dortmunder fest. Dortmund gewann locker-flockig 3:0, mit Ball und mit immer noch mehreren Zehntausen­d Fans im Rücken.

Ralf Rangnick

Mannheim scheint ein ganz gutes Pflaster zu sein, um das Kicken zu lernen. Als Hoffenheim­s

gefragt wurde, wo man einen solch wunderbare­n „No-look-Pass“lernen könne, mit dem er beim 2:0 das 1:0 durch vorbereite­te, sagte er: „Von Ronaldinho natürlich. Aber in Mannheim auf dem Bolzplatz lernt man so was auch.“

Jakub Blaszczyko­wski Marco Terrazino Andrej Kramaric

Freitag, 24. Februar VfL Wolfsburg – Werder Bremen Samstag, 25. Februar Bayern München – Hamburger SV Bayer Leverkusen – FSV Mainz 05 Darmstadt 98 – FC Augsburg SC Freiburg – Borussia Dortmund RB Leipzig – 1. FC Köln alle 15.30 Hertha BSC – Eintracht Frankfurt 18.30 Sonntag, 26. Februar FC Ingolstadt – B. M’gladbach FC Schalke – 1899 Hoffenheim 20.30 15.30 17.30 1. Pierre-Emerick Aubameyang (BVB) 17 1. Anthony Modeste (1. FC Köln) 17 3. Robert Lewandowsk­i (FC Bayern) 16 4. Timo Werner (Leipzig) 12 5. Sandro Wagner (Hoffenheim) 10 5. Chicharito (Leverkusen) 10 7. Vedad Ibisevic (Hertha BSC) 9 8. Serge Gnabry (Bremen) 8 9. Arjen Robben (FC Bayern) 7 9. Maximilian Philipp (SC Freiburg) 7 11. Hakan Çalhanoglu (Leverkusen) 6 11. Nils Petersen (SC Freiburg) 6

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FOTO: DPA Ein sogenannte­r Effenberg.
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