„Wer die Reformen zurückdrehen möchte, gefährdet die Erfolge“
BERLIN - Steffen Kampeter (Foto: dpa), Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), kritisiert die Pläne von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, die Agenda 2010 zu reformieren, und wirft Schulz im Gespräch mit Andreas Herholz vor, „ohne präzise Kenntnis der Zahlen“zu formulieren.
Martin Schulz will die Agenda 2010 korrigieren. Unter anderem soll die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I wieder verlängert werden. Wie reagieren die Arbeitgeber auf die Pläne?
Die erneute Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs würde eine schnelle Wiederaufnahme von Arbeit erschweren. Das müsste auch Herrn Schulz klar sein.
Schulz spricht von Fehlern, die mit der Agenda 2010 gemacht worden seien. Sehen Sie hier auch Korrekturbedarf?
Die Agenda 2010 hat Beschäftigung gefördert und Arbeitslosigkeit abgebaut. Wer die Reformen zurückdrehen möchte, gefährdet diese Erfolge. Und dies in einer Phase der Unsicherheit: Die Liste von Risiken ist lang, von Brexit bis Protektionismus.
Droht nach der Bundestagswahl eine Rückabwicklung der Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder und was würde dies dann für den Standort Deutschland bedeuten?
Viele Vorschläge von Herrn Schulz sind ohne präzise Kenntnis der Zahlen oder der Rechtslage in Deutschland formuliert. Ich gehe davon aus, dass Herr Schulz – nach gründlicher inhaltlicher Befassung – seine Aussagen noch einmal überprüfen wird. Zurück in die 90erJahre – damit kann man die deutschen Arbeitsplätze nicht sichern.
Der künftige SPD-Chef will auch die Möglichkeiten zur Befristung von Beschäftigungsverhältnissen einschränken. Welche Auswirkungen hätte dies auf den Arbeitsmarkt?
Auch die genannten Zahlen zur Befristung sind falsch und viel zu hoch: Nicht 40 Prozent, sondern gut zwölf Prozent in der Altersgruppe von 25 bis 35 Jahren sind befristet tätig: in der Privatwirtschaft knapp elf Prozent, im öffentlichen Dienst knapp 23 Prozent. Abgesehen davon ist die Befristungsoption für Berufsanfänger ein Türöffner in Beschäftigung. Wird das eingeschränkt, droht vielen jungen Menschen Dauerarbeitslosigkeit statt Startchancen.
Zu den Plänen des SPD-Kanzlerkandidaten gehört auch ein verbesserter Kündigungsschutz für Beschäftigte, die Betriebsratswahlen organisieren. Gehen die Arbeitgeber bei diesem Vorhaben mit?
Dieser umfassende Schutz für alle, die eine Betriebsratswahl einleiten wollen, besteht schon längst. Da muss nichts nachgebessert werden.
Schulz beklagt eine soziale Ungerechtigkeit in Deutschland. Gibt es hierzulande eine große Gerechtigkeitslücke?
Dieses Märchen wurde auch schon im Wahlkampf 2013 erzählt. Auch ein Herr Schulz aus Brüssel muss die Realitäten in Deutschland erkennen. Fakt ist doch: Die Renten steigen so stark wie seit mehr als zwanzig Jahren nicht und die Realeinkommen sind ebenso stark gestiegen. Es haben so viele Menschen Arbeit in Deutschland wie noch nie zuvor, viele davon in unbefristeten Vollzeitbeschäftigungen. Deutschland geht es so gut wie noch nie.