Kritik an Spaniens Flüchtlingspolitik
Rund 350 Migranten überwinden Grenzzaun zu Exklave Ceuta
MADRID – Wenn sie kommen, dann gleich in mehrfacher Kompaniestärke. Denn sie wissen, dass Marokkos und Spaniens Grenzschützer nicht in der Lage sind, alle Flüchtlinge aufzuhalten, die versuchen, über den Grenzzaun zu kommen. So geschah es auch am Montagmorgen im Schutz der Dunkelheit: Rund 700 schwarzafrikanische Migranten tauchten vor dem sechs Meter hohen und acht Kilometer langen Grenzwall auf, der die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta an der Grenze zu Marokko umgibt. Rund 350 sei es gelungen, Europa zu erreichen, teilte das Rote Kreuz mit. Drei Tage zuvor hatten rund 1000 Menschen versucht, den Zaun zu überwinden. 500 Migranten haben es geschafft.
Wenn die Spanier einen Grenzspringer noch am Zaun oder zwischen dem Doppelzaun entdecken, bringen sie den Betreffenden oft umgehend wieder auf marokkanisches Territorium zurück. Und dies, ohne mögliche Asylrechte oder Fluchtgründe zu prüfen. Menschenrechtler sprechen von Abschiebungen, die illegal seien. Die spanische Regierung stellt sich hingegen auf den Standpunkt, dass die Flüchtlinge erst wirklich auf europäischem Boden seien, wenn sie auch an Spaniens Grenzbeamten vorbeikommen.
Erstaufnahmezentrum überfüllt
Die Flüchtlinge, die es geschafft haben, wurden in das Erstaufnahmezentrum (CETI) gebracht und dort von Helfern versorgt. Viele haben Schnittwunden am ganzen Körper. Verletzungen des Nato-Drahtes, der den Grenzzaun krönt. Die Sanitäter des Roten Kreuzes müssen klaffende Wunden an Händen, Füßen und Gesicht behandeln. Auch Knochenbrüche, verursacht durch Stürze vom Zaun, werden verarztet. Die Flüchtlinge hoffen auf eine Chance, von Ceuta aus auf spanisches Festland zu gelangen. Das Erstaufnahmezentrum ist Medienberichten zufolge völlig überfüllt: Die normale Aufnahmekapazität, die bei 512 Plätzen liege, sei mit mehr als 1400 Personen fast um das Dreifache überschritten.
Es scheint ganz so, als ob die Flüchtlingsströme nun auch Richtung Spanien anschwellen: Im letzten Jahr wurden nach Regierungsangaben annähernd 10 500 illegale Einwanderer aufgegriffen, die in den spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla oder per Boot an Spaniens Südküsten ankamen. Das ist zwar wenig im Vergleich mit Süditalien, wo 2016 rund 180 000 Flüchtlinge registriert wurden, aber die Tendenz ist auch an Spaniens Außengrenzen steigend.
Am Wochenende hatten in Barcelona 160 000 Menschen für eine großzügigere Flüchtlingspolitik in Spanien demonstriert. Die Veranstalter sprachen sogar von einer halben Million Menschen. Sie trugen Schilder mit Aufschriften wie „Schluss mit den Ausreden!“, „Keine Toten mehr!“, „Flüchtlinge willkommen!“und „Öffnet die Grenzen!“. Die spanische Regierung steht in der Kritik, weil sie bisher ihre Verpflichtungen aus dem EU-Umverteilungsprogramm nicht erfüllt hat und auch bei der Genehmigung von Asylanträgen sehr restriktiv vorgeht.
Spanien verfügt in Nordafrika über zwei Exklaven, die beide von Marokko beansprucht werden: Ceuta an der Meerenge von Gibraltar und das 250 Kilometer weiter östlich gelegene Melilla. In der Nähe der Gebiete harren Zehntausende Not leidende Afrikaner sowie mittlerweile auch zahlreiche Syrer aus.