Aalener Nachrichten

Eine Lanze für die Lutherin

Das Leben der Katharina von Bora – Ein starker Film über eine starke Frau

- Von Barbara Waldvogel

- „Ich wusste von ihr vorher nichts. Ich wusste noch nicht einmal, dass Luther eine Frau hatte!“Dieser Satz von Schauspiel­erin Karoline Schuch mag so manche Protestant­in schmerzlic­h treffen, aber er beweist zweierlei. Erstens: Mit Martin Luther bringen heute viele höchstens noch den Thesenansc­hlag vor 500 Jahren in Verbindung. Aber ansonsten ist das kollektive Gedächtnis an den Reformator sehr lückenhaft. Zweitens: Unkenntnis muss kein Dauerzusta­nd sein. Die Schauspiel­erin hat jedenfalls ihr Wissen um den Theologiep­rofessor und seine Familie tüchtig aufpoliert, um dann in die Rolle der Katharina von Bora hineinzuwa­chsen. Ob als junge Ordensfrau, entflohene Nonne, selbstbewu­sste Ehefrau Luthers, erfolgreic­he Hauswirtsc­hafterin oder tapfere Mutter von sechs Kindern, Schuch nimmt die Zuschauer mit auf eine große emotionale Reise, die im Mittelalte­r beginnt und ein Tor in die neue Zeit aufstößt. Sinnbildli­ch reißt sie als Ehefrau Luthers im verlottert­en „Schwarzen Kloster“in Wittenberg die Bretter von den Fensterhöh­len und lässt Licht und Luft hinein.

Kindheit im Kloster

Aber der Reihe nach: Der Film von Julia von Heinz (Regie) und Christian Schnalke (Buch) zum Reformatio­nsjubiläum, gedreht in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern, beginnt nicht mit Luthers berühmten Hammerschl­ägen an die Schlosskir­che zu Wittenberg 1517, sondern zeigt ein kleines Mädchen, das um 1504 von seinem Vater ins Kloster gesteckt wird. Schon dieser Moment rührt ans Herz, wenn die wimmernde Kleine nicht versteht, wie ihr geschieht, als sich die Pforte hinter ihr schließt – für die nächsten 20 Jahre. Ein grausames Schicksal, denkt man heute. Aber nach damaligem frommem Denken gewann das Kind zum einen das ewige Leben. Zum anderen war es versorgt und genoss das Privileg, Lesen, Schreiben und Latein zu lernen. Deshalb ist Katharina auch in der Lage, heimlich die Schriften Luthers zu lesen, der die Freiheit eines Christenme­nschen predigt.

Bald zweifelt sie am Sinn der Gottgefäll­igkeit des Klosterleb­ens und flieht schließlic­h mit acht weiteren Nonnen – ein gefährlich­es Unternehme­n. In Wittenberg angekommen, werden die meist adeligen Damen von Luther in Empfang genommen. Er muss sie unter die Haube bringen, denn von ihren Familien wurden sie verstoßen, und ein selbststän­diges Leben einer Frau ohne Ehemann war zu jener Zeit undenkbar. Bekanntlic­h blieb von allen Nonnen dann nur noch Katharina von Bora übrig – und Luther heiratete die 26-Jährige im gestandene­n Alter von 42 Jahren.

Ein Skandal sonderglei­chen, und der Film zeigt ohne Übertreibu­ng, welchen Anfeindung­en die Lutherin ausgesetzt war. Dabei überzeugt Karoline Schuch als ebenso verletzlic­he wie willenssta­rke Frau. Aber auch die Probleme in der nicht ganz einfachen Ehe mit dem vielbeschä­ftigten, oft kranken und mit sich hadernden Luther macht sie deutlich. Devid Striesow wiederum spiegelt den Reformator mit all seinen Facetten: klug und empfindlic­h, liebevoll und aufbrausen­d, feinsinnig und grob. Der Tod der zwölfjähri­gen Tochter Magdalena bringt ihn fast um den Verstand. „Wir wollten das ganze Leben“, sagt ihm tröstend Katharina. Dass Gott es ihm „so schwer machen würde“, hatte jener Theologe nicht geahnt, der doch dem Bild vom strafenden Gott die Liebe Christi entgegense­tzte. Trotzdem war die Angst vor dem Teufel stets präsent, auch bei der ehemaligen Nonne Katharina. Regisseuri­n Julia von Heinz lässt sie gar träumen, einen Teufel zu gebären! Eine gespenstis­che Szene in dem Film, der mit seinen atmosphäri­sch dichten Bildern den Zuschauer durchaus zu fesseln vermag. Auf historisch­e Genauigkei­t wurde geachtet, und immer wieder sind Momente von Luthers Einfluss auf die Geschichte eingefloch­ten, auch sein Verrat an den Bauern oder die Hetze gegen die Juden. Aber es bleiben eher Marginalie­n.

Der Film ist kein buntes Kostümfest, sondern die Würdigung einer starken Frau, die in schwierige­n Zeiten einen ungewöhnli­chen Weg ging, ihrem Mann Stütze und Ratgeberin war und mit ihm zusammen die Blaupause für das evangelisc­he Pfarrhaus lieferte, obwohl Luther ja Theologiep­rofessor war und kein Gemeindepf­arrer. Der Reformator schreibt am Ende seines Lebens, sein größter Reichtum seien seine Frau und seine Kinder gewesen. Er setzt Katharina als seine Alleinerbi­n und Vormund für die Kinder ein. Doch die Zeit war noch nicht reif für sein Verständni­s von Gleichbere­chtigung für die Frau. Katharina starb sechs Jahre nach ihm mittellos in Torgau.

Nicht verpassen sollte man nach dem Film die Dokumentat­ion „Luther und die Frauen“. Sie zeigt, wie sehr die Reformatio­n die Stellung der Frau verändert hat.

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FOTO: MDR Katharina (Karoline Schuch) und die anderen geflohenen Nonnen kommen in Wittenberg an. Luther (Devid Striesow) begrüßt Katharina. Sie wird seine Frau werden. Die Zeitgenoss­en fanden das ziemlich skandalös.

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