Die etwas speziellere Herausforderung
Bei den Kombinierern könnte eine bisher recht deutsche Saison ihre Zuspitzung erfahren
OBERSTDORF - Die Zeitung mit den vier Buchstaben kramte genüsslich im Spruchkästlein des Insel-Fußballweisen Gary Lineker: Nordische Kombination – in den Tagen vor der Nordischen Ski-WM 2017 in Lahti heiße das: „Erst wird gesprungen, dann gelaufen, und am Ende feiern die Deutschen.“Allenfalls mäßig erfreut liest Hermann Weinbuch solche Zeilen. Als Bundestrainer seit mehr als zwei Jahrzehnten kennt er (natürlich!) die Zahlen der Saison – acht Weltcup-Siege Johannes Rydzek, sieben Eric Frenzel, zwei Fabian Rießle, einer Björn Kircheisen –, Hermann Weinbuch kennt aber auch die Unwägbarkeiten auf Schanze und Loipe, die Qualitäten der Konkurrenz. „Die anderen respektieren!“heißt die offizielle Sprachregelung in der erfolgreichsten Sparte des Deutschen Skiverbandes, „auf alle Fälle vorbereitet sein“bei den vier Medaillenentscheidungen in Finnland.
Der wahrscheinlichste Fall allerdings dürfte der sein, in dem das „Bild“-Szenario bei den zwei WMEinzelwettbewerben (Normalschanze/10 km an diesem Freitag; Großschanze/10 km am 1. März) nochmals eine Zuspitzung erfährt. „Die Deutschen“nämlich, das sind im Winter 2016/17 vor allem der Oberstdorfer Rydzek und der Oberwiesenthaler Frenzel. 1390:1354 steht ihr Duell nach Weltcup-Punkten, die vier nach der Weltmeisterschaft ausstehenden Wettkämpfe klären die Frage, ob der 25-jährige Allgäuer zum ersten oder sein drei Jahre älterer sächsischer Kollege zum fünften Mal (in Serie!) den Gesamtweltcup gewinnt. Bei acht ihrer 17 Starts haben Rydzek/Frenzel die Ränge eins und zwei heuer unter sich ausgemacht – je viermal mit dem besseren Ende für jeden der beiden.
Danach ganz normale Kumpels
Wie solch eine Dominanz zustande kommt, ist keine unspannende Frage. Der DSV-Tross, vergangene Woche in Oberstdorf final an seinen Sprüngen feilend, mied beim Beantworten die Vokabel „Über-Form“. Hermann Weinbuch konstatierte sachlich (und fachlich sicher korrekt): „Unser Vorteil ist, dass wir sowohl im Springen als auch im Laufen Spitze sind. Da kann eigentlich nur eine Nation annähernd mithalten – Norwegen.“Speziell Jørgen Gråbak und Magnus Krog aber, „die auch sehr ausgeglichen sind“, hätten bislang „nicht so zu ihrer Form gefunden“. Johannes Rydzek und Eric Frenzel schon, was eine Vielzahl von Gründen hat: vom Trainertrio Weinbuch, Ronny Ackermann, Kai Bracht bis hin zum hochmodernen Wachs-Truck, von der Methodik der täglichen Arbeit bis zu den Effekten eines permanenten Sich-Messens mit den Besten bereits im Training. Aber, daran erinnert Horst Hüttel, der Sportliche Leiter Nordische Kombination im DSV: „Springen und laufen müssen die Jungs doch noch selber.“
Miteinander auskommen auch. Geht das überhaupt, wenn Siege – wie zuletzt in Seefeld – an Zentimetern hängen? Wenn Zielfotos über Punkte und Pokale entscheiden, wenn der sportliche Zweikampf auf höchstem Level monatelang pari steht? „Es ist ein Spannungsfeld“, sagt Hermann Weinbuch, „klar. Doch sie schaffen es, im Wettkampf wirklich voll zu fighten – bis jetzt auch immer mit fairen Mitteln –, und spätestens nach einer Nacht hat sich dieser Kampf wieder aufgelöst.“Exklusiv hat der 56-Jährige diese Sicht der Dinge nicht. Von einer „Herausforderung, die sicherlich in diesem Jahr noch ein bisschen spezieller ist als die letzten Jahre“, spricht Eric Frenzel. „Aber dennoch meistern wir das momentan sehr, sehr gut.“Johannes Rydzek würde das unterschreiben: „Wir sind abseits aller Rivalität – wenn der Wettkampf vorbei ist – ganz normale Kumpels wie davor auch.“Letztlich, so beschreibt es Eric Frenzel, „ist es ja die eigene Leistung, die entscheidet. Da ist dann jeder bereit dazu, das anzunehmen, wenn der andere an dem Tag besser ist.“
Das Duell ist zu handlen, weil es nur in der Luft, auf der Loipe eines ist. Weil das Trainerteam sich permanent kontrolliert, Aufmerksamkeit in dieser Saisonphase exakt gleich zuteil werden lässt. Weil die Protagonisten nicht nur faire, sondern auch intelligente Sportler sind. Und Symbiose auch bei Nordischen Kombinierern funktioniert. Hermann Weinbuch: „Es ist so, dass der Eric von der mentalen Seite her überragend stark ist – und da kann der ,Ritschi‘ sehr viel lernen. Der ,Ritschi‘ ist aber einer, der körperlich vielleicht noch einen Tick stärker ist. Und der Eric nutzt das auch, sich da ranzuziehen. Somit profitieren beide, und das sehen auch beide so ...“
Was den Umgang erleichtert. Und die WM-Chancen erhöht. Auch wenn Hermann Weinbuch das mäßig erfreut liest in diesen Tagen.