Streit um Abschiebungen
De Maizière verteidigt Rückführungen nach Afghanistan
BERLIN (AFP) - Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan verteidigt. De Maizière sagte in der ARD, es sei natürlich bekannt, „dass die Sicherheitslage kompliziert dort ist“. Und es spreche auch niemand davon, dass ganz Afghanistan ein sicheres Land sei, „aber es gibt sichere Orte.“Daher könne, „behutsam, verantwortungsvoll, aber dann auch entschlossen“zurückgeführt werden. Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl könnte heute die nächste Sammelabschiebung aus München erfolgen.
Von der Opposition kommt Kritik. Linken-Chef Bernd Riexinger forderte einen sofortigen Abschiebestopp. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Roth warf der Regierung vor, mit den Abschiebungen nach Afghanistan „eine komplette Aushöhlung des Asylrechts“voranzutreiben.
STUTTGART - Baden-Württemberg hält weiter an Abschiebungen nach Afghanistan fest. „Wir halten uns an die rechtlichen Zuständigkeiten“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Einen vorläufigen Abschiebestopp, wie ihn andere Bundesländer erklärt haben, lehnt die grünschwarze Regierung ab. Dennoch scheint Kretschmann Zweifel an der Sicherheit in Afghanistan zu hegen.
Drei Monate kann ein Bundesland Rückführungen aussetzen – so wie es Schleswig-Holstein in Bezug auf Afghanistan macht. Davon hält Kretschmann nichts, wie er sagte. Der Bund sei für die Einschätzung zuständig, ob ein Land sicher genug sei. „Er hat die Instrumente, die Kompetenz und die Verantwortung“, sagte der Ministerpräsident. Die Länder, die für die Abschiebungen zuständig sind, könnten bei Personen eingreifen, nicht aber das Zielland bewerten.
Im Namen von Parteifreunden aus zehn der elf Bundesländer, in denen die Grünen mit in der Regierung sitzen, hat er aber am Freitag einen Brief an Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) geschickt. „Ich habe angemahnt, die Sicherheitslage in Afghanistan seriös zu bewerten“, sagte Kretschmann. Eine Antwort gebe es noch nicht. Spätestens seit einer Bewertung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mehrt sich die Kritik an den Abschiebungen nach Afghanistan. Der Bericht besagt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan 2016 „noch mal deutlich verschlechtert“habe. Und dass das Flüchtlingshilfswerk „aufgrund der sich ständig ändernden Sicherheitslage (...) keine Unterscheidung von ,sicheren‘ und ,unsicheren‘ Gebieten vornimmt“. Dennoch hält Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) an Abschiebungen in „sichere Gebiete“fest.
Der Flüchtlingsrat, die Linke sowie die Grüne Jugend fordern einen Abschiebestopp im Südwesten. Grünen-Landeschefin Sandra Detzer sagte, mehr als zehn Jahre habe es aus gutem Grund einen Abschiebestopp nach Afghanistan gegeben. „Es wäre klare grüne Position, den wieder in Kraft zu setzen. Aber es gibt dafür im Bund derzeit keine Mehrheiten.“Kretschmann erklärte, er arbeite im Hintergrund an einer Stichtagsregelung, wodurch gut integrierte Asylbewerber in Deutschland bleiben dürften. Dagegen wehre sich aber die CDU. „Im Vorwahlkampf ist das schwierig“, so Kretschmann.
Flüchtlingsorganisationen gehen davon aus, dass heute eine weitere Sammelabschiebung nach Afghanistan von München aus ansteht. Dabei soll laut Flüchtlingsrat BW ein Mann abgeschoben werden, der seit 14 Jahren im Land lebt. Er sei im Januar abgeschoben, von den afghanischen Behören aber zurückgeschickt worden, weil er in Kabul zusammengebrochen sei. Flüchtlingsrat und Pro Asyl fordern vom Land, den Mann, dem Ärzte eine Suizidgefahr bescheinigt haben, nicht abzuschieben. Das Innenministerium wollte sich nicht dazu äußern.