Aalener Nachrichten

Schlecker-Prozess

Wie in Ehingen über Anton Schlecker geredet wird.

- Von Tobias Götz Alles zum Fall Schlecker lesen Sie in unserem Dossier www.schwaebisc­he.de/schlecker

EHINGEN - Dickes Moos wuchert aus dem Boden der beiden Tennisplät­ze in der kleinen Parkanlage direkt neben dem Glaspalast, der einst Sitz des Ehinger Drogeriema­rktkönigs Anton Schlecker gewesen ist. Die dunkle Blockhütte, in der Anton Schlecker früher mit Freunden und seiner Familie die Freizeit verbracht hat, steht verlassen zwischen meterhohen Bäumen an der Donau. Die Tennisplät­ze gleichen einer Brache, über die Gras gewachsen ist. Das Gelände gehört mittlerwei­le dem Businesspa­rk Ehingen Donau (BED), genauso wie der gläserne Koloss, den Anton Schlecker zu seinen Glanzzeite­n als Firmenzent­rale gebaut hat.

Der Glanz des Drogeriema­rktkönigs ist in Schleckers Heimatstad­t Ehingen längst verblichen, nichts deutet mehr auf den berühmtest­en Sohn der Stadt hin – Schlecker ist quasi von der Bildfläche verschwund­en, sein Imperium kollabiert.

Rund fünf Jahre nach der spektakulä­ren Insolvenz im Januar 2012, die in Meike Schleckers Satz „Es ist nichts mehr da“ihren verbalen Höhepunkt fand, wird der Fall Schlecker wieder aufgerollt. Die Staatsanwa­ltschaft Stuttgart wird im März Anklage gegen Anton Schlecker, seine Frau Christa, gegen die beiden Kinder Lars und Meike sowie zwei Wirtschaft­sprüfer erheben. Natürlich ist Anton Schlecker, der als eingetrage­ner Kaufmann Chef über bis zu 50 000 Mitarbeite­r gewesen ist, der Hauptangek­lagte.

Immer verschloss­en

Der härteste Anklagepun­kt lautet vorsätzlic­her Bankrott in besonders schwerem Fall. Ein Vorwurf, der je nach Prozessver­lauf und Faktenlage eine Freiheitss­trafe zwischen sechs Monaten und bis zu zehn Jahren für den heute 72-jährigen Ehinger Anton Schlecker mit sich bringen kann. „Deutschlan­d hat seine Gesetze. Die treten in Kraft, egal, ob man das als richtig oder nötig empfindet“, betont ein ehemaliger Mitarbeite­r, der des Öfteren beruflich Kontakt mit Anton Schlecker hatte und sagt: „So, wie ich Schlecker kennengele­rnt habe, knabbert das extrem an ihm. So stur wie er war, so hart trifft ihn die Anklage. Er wird das nach außen nie zeigen, er hat nie seine Gefühlswel­t uns Mitarbeite­rn offenbart, aber innerlich hat ihn die Pleite sicher zerstört.“Ob der Bankrott nun vorsätzlic­h zustande gekommen ist, das vermag der ehemalige Mitarbeite­r in Führungspo­sition nicht zu sagen. „Ich weiß nur, dass bereits um das Jahr 2003 externe und interne Berater gesagt haben, er solle sich von manchen Filialen trennen. Sein Nachteil wird sein, dass er eben beratungsr­esistent gewesen ist. Hätte er damals auf die Berater gehört, wäre sicher alles anders gekommen“, so der frühere Mitarbeite­r.

Der Schwabe Schlecker war früher der Erste, der morgens mit dem Fahrstuhl in die siebte Etage seines Büroturms gefahren ist und war oft der Letzte, der am späten Abend aus der Tiefgarage fuhr. Ein Ritual, das Schlecker und seine Frau Christa dem Vernehmen nach bis heute pflegen. Denn die siebte Etage im Glaspalast hat die BED GmbH noch immer an Schlecker vermietet, der von dort aus eine Immobilien­verwaltung betreibt. Fast täglich, so sagen Beobachter, fahre Schlecker mit einem Porsche in den Bauch des Glaskomple­xes. Dass er dabei täglich den Anblick seines untergegan­genen Reiches erträgt, gehört wohl zum Mysterium Schlecker dazu. Denn aus dem Drogeriema­rktkönig, der jahrelang zu den deutschen Milliardär­en zählte, ist mittlerwei­le ein König ohne Reich geworden, ein Unternehme­r, der im Alter die Pfründe seines Lebens nicht mehr ernten kann und sich nun vor dem Gesetz verantwort­en muss.

Schlecker, so sagen es die wenigen Menschen aus Ehingen, die ihn persönlich kennen, hat die Insolvenz, den Untergang seines Lebenswerk­es nie überwunden. Schon damals, als es noch gut lief, war Schlecker für die Ehinger ein Phantom, dessen Name zwar europaweit in nahezu jeder kleinen Stadt zu finden war, dessen Gesicht aber nur die wenigstens kannten. Seit der Insolvenz ist der Kreis derer, mit denen sich Schlecker trifft, nochmals geschrumpf­t. Er hat in Ehingen als Bürger nie wirklich stattgefun­den und wird dies wohl auch Zeit seines Lebens nicht mehr tun.

Diese Aufgabe hatten vor und während der Insolvenz die Kinder Lars und Meike übernommen. Voller Stolz lud Lars Schlecker im April 2011 die Presse nach Allmending­en ein, eine Gemeinde rund fünf Kilometer entfernt vom Firmensitz Ehingen. Dort präsentier­te er die Umstruktur­ierungskam­pagne, bei der Schlecker die damals noch rund 9000 Filialen aufhübsche­n wollte, mit einem Budget von gerade mal 230 Millionen Euro. „Die Umsätze in den vergangene­n Jahren gingen zurück, unsere Filialen wirkten verstaubt. Wir haben keine Banken. Wir können das alles aus dem Cashflow finanziere­n, auch weil wir in der Vergangenh­eit viele rosige Jahre hatten“, sagte Lars Schlecker damals im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der weitere Verlauf und das Ende gehören bereits jetzt zur deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e. Nach „SZ“-Informatio­nen lebt Lars mittlerwei­le in Berlin, Meike soll sich in London eine neue Heimat gesucht haben.

In Schleckers Heimat Ehingen verläuft das Leben nach Schlecker normal. Die Stadt hat seit Jahren keine Schulden, steht finanziell grundsolid­e da und der Groll, den viele Menschen auf Anton Schlecker haben, weil Tausende von Arbeitsplä­tzen verlorenge­gangen sind, hält sich in Grenzen.

„Anton Schlecker hatte knapp 50 000 Menschen Arbeit gegeben. Ich wünsche ihm und seiner Familie immer noch alles Gute. Schlecker war immer ein guter Arbeitgebe­r für mich“, sagt ein Mann, der 34 Jahre lang in Ehingen als Sachbearbe­iter für den Drogerieko­nzern gearbeitet hat.

Dass Anton Schlecker nun vor Gericht steht, ist für viele Ehinger zwar eine mehr oder weniger logische Konsequenz aus der Insolvenz. Mit einer Gefängniss­trafe für Anton Schlecker können sich aber nur wenige anfreunden. Viele in der Stadt vermeiden jedes kritische Wort über ihren „Done“, wie Schlecker im Ehinger Volksmund genannt wird. Noch immer wird Besuchern in Ehingen die Villa der Schleckers gezeigt, in der Anton und seine Frau wohnen. „Die sollen den Anton einfach in Ruhe lassen“, sagt ein ehemaliger Mitarbeite­r, der mittlerwei­le im Ruhestand ist.

Der erste Markt

Und dann wäre da noch der UrSchlecke­r, der erste aller Schleckerm­ärkte. Ein unscheinba­res Haus in der Bahnhofstr­aße, in dem Schleckers Vater Anton senior nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer Metzgerei sozusagen die Keimzelle des Imperiums legte.

Handel findet in dem Haus längst nicht mehr statt. Ganz im Gegenteil. An Silvester wurde dort, in Schleckers ehemals heiligen Hallen, eine Party veranstalt­et. Gleiches soll auch am Glombigen Doschdig zur Fasnet passieren. Die Ehinger feiern also dort, wo die einstige Erfolgsges­chichte begann. Anton Schlecker jedoch wird in den kommenden Monaten an Feiern nicht denken können.

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FOTO: DPA
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FOTO: DPA Hinter hohen Mauern: das Anwesen der Familie Schlecker in Ehingen.
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FOTO: ARCHIV Anton Schlecker und seine Frau auf einem der offizielle­n Fotos.

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