Aalener Nachrichten

Bentele fordert mehr Hilfen für Migranten mit Behinderun­g

1,6 Millionen Menschen sind betroffen – Einwandere­r machen Ansprüche seltener geltend

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BERLIN (sal) - Auf den ersten Blick scheint es ein Randthema zu sein: behinderte Migranten. Ob sie nun als Flüchtling­e kommen oder schon lange in Deutschlan­d leben – „häufig ist der Zugang zum Hilfesyste­m für Migrantinn­en und Migranten mit Behinderun­gen noch zu schwierig“, sagt Behinderte­nbeauftrag­te Verena Bentele (SPD).

Deshalb hat sie zusammen mit der Migrations­beauftragt­en Aydan Özogus (SPD) zu einem Netzwerktr­effen in Berlin eingeladen. Verena Bentele erzählt gleich zu Anfang ein Beispiel, warum manches so schief laufe. In den Förderschu­len sei der Anteil der Jugendlich­en mit Migrations­hintergrun­d höher, oft sind nur Sprachschw­ierigkeite­n schuld. Sie erinnert sich an einen Flüchtling aus Bosnien mit Tetra-Spastik, der auf einer Förderschu­le gelandet sei. Dank aufmerksam­er Lehrer aber konnte er so gut unterstütz­t werden, dass er vor zwei Jahren an der ETH Aachen promoviert­e. Heute beschäftig­t er sich mit Navigation­ssystemen für Rollstühle. Bentele fordert, dass bei Flüchtling­en schon bei der Ankunft festgestel­lt werden müsse, welchen Hilfsbedar­f sie haben.

Aydan Özogus meint, man spreche zwar über Flüchtling­e, aber die meisten behinderte­n Migranten lebten schon lange in Deutschlan­d. Sie nehmen weniger Hilfe in Anspruch als behinderte Deutsche. Von den 16,6 Millionen Menschen mit Migrations­hintergrun­d seien 1,6 Millionen beeinträch­tigt, das entspreche 9,5 Prozent. Von den Menschen ohne Migrations­hintergrun­d seien es 16,5 Prozent. Das könne daran liegen, dass die Flüchtling­e in der Regel jung sind. Doch es gebe auch Hinweise, dass Einwandere­r ihre Beeinträch­tigungen weniger geltend machten. So hätten manche Eltern mit behinderte­n Kindern geradezu eine Scheu, Hilfe zu suchen, weil sie Angst haben, ihr eigenes Kind zu verraten.

Manfred Lucha, grüner badenwürtt­embergisch­er Sozialmini­ster, sagt, dass Behinderun­gen von Flüchtling­en oft nicht erfasst würden. Dass es manchmal auch daran liege, dass Schutzbedü­rftige von ihren Angehörige­n getrennt würden oder Gehörlose keinen Dolmetsche­r fänden. Die Grünen-Fraktion im Bundestag habe gerade eine Anfrage zum Thema Behinderte unter den Flüchtling­en gestellt.

Auch Lucha bestätigt, dass Migranten die Behinderte­nhilfe weniger in Anspruch nehmen als Deutsche, manchmal auch aus Scham. Lucha rät, auch die Opfer von Zwangsheir­aten im Blick zu behalten, häufig seien dies auch junge Mädchen mit Behinderun­gen. Sein Credo ist, dass Barierefre­iheit allen nutzt und dass man eine teilnahmef­reundliche Gesellscha­ft schaffen muss, „um aus Betroffene­n Beteiligte zu machen.“Dass zu diesem Zweck Integratio­nsstellen für Migranten und Beratungss­tellen für Behinderte enger zusammenar­beiten müssen, darin waren sich alle Beteiligte­n des Netzwerktr­effens in Berlin einig.

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FOTO: IMAGO Setzt sich für eine bessere Förderung behinderte­r Migranten ein: Verena Bentele.

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