Aalener Nachrichten

Fall Asaria reißt tiefe Gräben in Israel

- Von Sara Lemel, Tel Aviv

Ein israelisch­er Soldat muss wegen Totschlags an einem verletzten palästinen­sischen Attentäter für eineinhalb Jahre ins Gefängnis. Dies entschied ein Militärger­icht in Tel Aviv. Das ist deutlich unter der Forderung der Anklage, die drei bis fünf Jahre verlangt hatte. Elor Asaria hatte im vergangene­n März in Hebron einen am Boden liegenden palästinen­sischen Attentäter mit Kopfschuss getötet, obwohl dieser ganz offensicht­lich keine Bedrohung mehr darstellte. Der Fall spaltet Israel.

Kaum ein Prozess hat in Israels Gesellscha­ft so tiefe Gräben gerissen wie der von Asaria. Jariv Oppenheime­r, ehemaliger Leiter der Organisati­on Peace Now, nennt das Strafmaß „lächerlich gering“. Eine Mehrheit der Israelis ist jedoch nicht einmal mit einer Verurteilu­ng Asarias wegen Totschlags einverstan­den – 67 Prozent sind nach einer Meinungsum­frage für seine Begnadigun­g. Dutzende Anhänger demonstrie­ren während der Verkündung des Strafmaßes vor dem Militär-Hauptquart­ier. „Tod den Terroriste­n“, steht auf einem Schild.

Der Fall zeige eine wachsende Polarisier­ung Israels, meint Juraprofes­sor Mordechai Kremnitzer. Viele glaubten, ein Terrorist habe „das Recht auf sein Leben verwirkt, auch wenn er hilflos ist“. Der fortwähren­de Konflikt mit ständigen palästinen­sischen Anschlägen sowie die 50-jährige Besatzung der Palästinen­sergebiete hätten bei vielen eine emotionale Verhärtung ausgelöst, glaubt Kremnitzer, Vize-Präsident des israelisch­en Demokratie-Instituts. Dabei kämen Grundwerte ins Wanken. „Etwa seit dem Jahr 2000 glauben viele Israelis, der Konflikt werde nie enden und es gebe keine Hoffnung auf Besserung.“In großen Teilen der Gesellscha­ft und auch bei der rechtsreli­giösen politische­n Führung Israels gebe es keine Unterstütz­ung für die Haltung der Militärspi­tze, die Asarias Tat klar verurteilt hat, meint Kremnitzer.

Bisher galt Israels Volksarmee immer als kleinster gemeinsame­r Nenner der verschiede­nen Bevölkerun­gsteile. „Die Aufrufe zur Begnadigun­g Asarias, auch vonseiten des Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu noch während des Prozesses, untergrabe­n die Autorität des Militärger­ichts und die Demokratie in Israel“, warnt der Juraprofes­sor.

Tüten mit dem Konterfei des Täters

Die Unterstütz­ung für Asaria kommt nicht nur von Randgruppe­n. Eine Supermarkt­kette verteilte Plastiktüt­en mit dem Konterfei Asarias. „Die Tüte ist umsonst. Elor zahlt für uns alle“, steht über einem Bild des Soldaten mit Gewehr. Asaria hat keine Reue geäußert, das Gericht während der Debatte über das Strafmaß jedoch um Gnade gebeten. Gemessen an der Höchststra­fe von 20 Jahren für Totschlag haben ihm die Richter diese gewährt. Man habe mildernde Umstände in Betracht gezogen, sagt Richterin Maja Heller, etwa dass sich der Vorfall in „feindselig­em Gebiet“ereignete und Asarias Familie sehr gelitten habe.

Nach Ansicht von Professor Amichai Cohen, Leiter des israelisch­en Zentrums für Sicherheit und Demokratie und Oberst der Reserve, sollte Israel Vergehen wie Asarias auch im eigenen Interesse streng verfolgen. „Interne Ermittlung­en verhindern, dass unsere Soldaten vor den internatio­nalen Strafgeric­htshof gezerrt werden“, sagt Cohen. „Außerdem können wir weiter stolz auf unsere Armee sein, wenn wir unsere Ethik und Werte auch in Kriegszeit­en bewahren.“Die palästinen­sische Politikeri­n Hanan Aschrawi hat das Strafmaß als „Hohn auf die Gerechtigk­eit“bezeichnet. (dpa)

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