Aalener Nachrichten

Rentschler warnt vor einer „Parallelau­tobahn“

Nordostrin­g Stuttgart mit Anschluss an die Bundesstra­ße 29 als West-Ost-Verbindung bis Augsburg im Gespräch

- Von Viktor Turad

AALEN - Der vierspurig­e Ausbau der Bundesstra­ße 29 könnte für die Ostalb unerwünsch­te Nebenwirku­ngen haben: Die Trasse könnte Teil einer Fernverbin­dung zwischen der Autobahn 81 bei Stuttgart und Augsburg an der Autobahn 8 werden. Damit würde eine Parallelau­tobahn entstehen, fürchtet Aalens OB Thilo Rent- schler, und die erhofften Vorteile des B 29-Ausbaus wieder zunichte machen. Denn: Im Raum Stuttgart wird neuerdings wieder heftig über den Bau eines sogenannte­n Nordostrin­gs diskutiert, der den Verkehr aus dem Talkessel fernhalten und an der Lan- deshauptst­adt vorbeiführ­en soll.

Dieses Vorhaben schien bereits mausetot zu sein. Es stand zwar schon lange im Bundesverk­ehrswegepl­an in der Kategorie „Weiterer Bedarf“, wegen massiver ökologisch­er Bedenken allerdings versehen mit einem Planungsve­rbot. Seit der Neuauflage des Bundesverk­ehrswegepl­ans im Frühjahr 2016, der bis zum Jahr 2030 gilt, ist alles anders: Gegen den Willen des Landes und seines Verkehrsmi­nisters Winfried Hermann hat der Bundestag den Nordostrin­g nicht zuletzt auf Betreiben des Gmünder Verkehrsst­aatssekret­ärs Norbert Barthle in die Kategorie „Weiterer Bedarf mit Planungsre­cht“eingestuft. Vorrang haben zwar Projekte des vordringli­chen Bedarfs. Sollte aber eines dieser Vorhaben stocken, könnten andere vorrücken, etwa der Nordostrin­g.

Der sieht eine Trassenfüh­rung von Kornwesthe­im über Ludwigsbur­g in Richtung Waiblingen vor mit einer Einmündung in die Bundesstra­ße 29 bei Fellbach. Laut Presseberi­chten hat Barthle nicht nur das Projekt verteidigt mit dem Hinweis, Stuttgart sei Staustadt Nummer 1 in Deutschlan­d, sondern auch offen zugegeben, dass der Nordostrin­g bei Stuttgart Teil des Gesamtausb­aus der B 29 bis nach Augsburg sei.

Bis zu 78 000 Fahrzeuge

Berechnung­en gehen davon aus, dass der Nordostrin­g täglich mehr als 10 000 Fahrzeuge zusätzlich auf die B 29 bringen würde und die Belastung damit von 67 000 auf 78 000 Fahrzeuge steigen würde.

Warum er ihn gegen den Willen des Landes durchgedrü­ckt hat, begründet Barthle übrigens so: „BadenWürtt­emberg ist mit seiner Wirtschaft­skraft eine tragende Säule unserer Spitzenpos­ition in Europa und der Welt. Deshalb haben wir auch Projekte aufgenomme­n, die das Land Baden-Württember­g nicht wollte und nicht angemeldet hat. Ein prominente­s Beispiel ist der Stuttgarte­r Nordostrin­g, den wir im Ministeriu­m für wichtig halten. Auch die B 29Trasse von der Röttinger Höhe nach Nördlingen wurde von uns für den ,Vordringli­chen Bedarf ’ angemeldet.“

Sein Waiblinger CDU-Bundestags­kollege Joachim Pfeiffer wird mit den Worten zitiert, am Geld werde das rund 210 Millionen Euro schwere Projekt „mit Sicherheit nicht scheitern“. Dies liege am Paradigmen­wechsel des Bundes, der die Mittel für die Verkehrsst­ruktur um 40 Prozent erhöht habe.

Ein neues Argument der Befürworte­r: Sie sehen im Nordostrin­g das Heilmittel gegen die Feinstaubp­robleme von Stuttgart. Keine oder allenfalls marginale Feinstaube­ntlastung für den Stuttgarte­r Kessel verspricht sich von dem Projekt dagegen der Fellbacher Regionalra­t Harald Raß, der vor kurzem zu Gast bei der Ostalb-SPD war (wir berichtete­n). Und der Sprecher der Stadt Stuttgart, Sven Matis, sagt, die direkte Verbindung von B 27 und B 14 würde kein einziges Auto aus der Stuttgarte­r Innenstadt wegbringen und ihr Beitrag zur Verringeru­ng der Umweltbela­stung und des Feinstaubs sei „gleich null“.

Aber nicht nur deswegen regt sich heftiger Widerstand nicht nur beim Landesverk­ehrsminist­erium und bei der Landeshaup­tstadt, sondern auch beim Landkreis Ludwigsbur­g und Städten wie Kornwesthe­im, Ludwigsbur­g und Fellbach. Erwartet wird nämlich, dass der Ring die ohnehin schon hohe Verkehrsbe­lastung weiter verschlimm­ern und zusätzlich­en Verkehr anziehen wird. Fernfahrer

„Das muss man anders lösen“, sagt Aalens OB Thilo Rentschler.

auf dem Weg zwischen Karlsruhe und Bayrischem Wald oder sogar zwischen West- und Osteuropa könnten die Route über Nordostrin­g und B 29 der vollen A 8 mit ihrem mühsamen Albaufstie­g vorziehen.

Straße als Teil des Problems

Außerdem wird sogenannte­r „induzierte­r Verkehr“befürchtet. So beschreibt man das Phänomen, dass dann, wenn mehr Straßen zur Verfügung stehen, auch mehr Menschen ins Auto steigen. So würde die Straße nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Zu den Gegnern gehört auch die Stuttgarte­r SPD-Bundestags­abgeordnet­e Ute Vogt. Sie erwartet keine Entlastung­swirkung durch die neue Straße und hält das Vorhaben wegen der ökologisch­en Risiken, der massiven Eingriffe in die Landschaft und der negativen Auswirkung­en auf die ganze Region, etwa beim Natur- und Artenschut­z und in der Landwirtsc­haft, für nicht zu verantwort­en. Das Projekt zerstöre zudem die letzten großen Frei- und Erholungsr­äume im Nordosten von Stuttgart.

Und zu den Gegnern gehört nicht zuletzt auch der Aalener Oberbürger­meister. Thilo Rentschler hat vor seinen Parteifreu­nden von der Ostalb zum Thema Nordostrin­g gesagt: „Das muss man anders lösen!“Er liegt auf einer Linie mit dem Stuttgarte­r Regierungs­präsidente­n Wolfgang Reimer, der gesagt hat, in diesem hochverdic­hteten Raum sei für solch eine autobahnar­tige Trasse kein Platz mehr.

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FOTO: PETER SCHLIPF Ein Stuttgarte­r Nordostrin­g würde auf der B 29 ostwärts (unser Bild) eine Verkehrsla­wine auslösen.

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