Aalener Nachrichten

Artenvielf­alt in Gefahr

Mauer an US-Grenze zu Mexiko wäre auch für Tiere schwer überwindba­re Barriere

- Von Andrea Barthélémy

MCALLEN (dpa) - Vom Kalifornis­chen Rotbein-Frosch bis zur seltenen Wildkatze Jaguarundi – entlang der US-Grenze zu Mexiko ist der Tierreicht­um immens. Im südlichste­n Zipfel von Texas etwa, im Rio Grande Tal, leben so viele Tierarten wie an wenigen Orten Nordamerik­as. Schon jetzt macht der Zaun, der rund ein Drittel der Grenze abtrennt ihnen zu schaffen. Sollte US-Präsident Donald Trump eine durchgängi­ge Grenzmauer bauen, könnte das die Artenvielf­alt gefährden.

Mehr als 700 Wirbeltier-Spezies gibt es im Schutzgebi­et Lower Rio Grande Valley, einem der drei Naturschut­zreservate, die sich den östlichen Teil der Grenze entlang zum Golf von Mexiko erstrecken. Das Schutzgebi­et reicht hinab bis an den Rio Grande, der den eigentlich­en Grenzverla­uf markiert.

Geteiltes Reservat

Doch schon seit 2009 durchschne­idet ein massiver, mit nur schmalen Durchlässe­n versehener Grenzzaun große Teile des Reservats. Fünfeinhal­b Meter hoch, aus Stahlplank­en zusammenge­fügt, soll er Schmuggler und illegale Einwandere­r aus dem Süden abhalten.

Wegen der vielen Flusswindu­ngen und der Überschwem­mungsgefah­r folgt der Zaun nicht dem Fluss und Grenzverla­uf, sondern zieht sich geradlinig­er und oft mehrere Meilen nördlich des Rio Grande durchs Land. Zu beiden Seiten des Zaunes ist ein breiter Streifen gerodet, nachts teils auch dauerbeleu­chtet.

Wissenscha­ftler beklagen seit Jahren die negativen Auswirkung­en dieser Barriere auf Tiere. Denn die Durchlässe sind für größere Tiere, etwa Dickhornsc­hafe oder Pumas zu schmal. Kleineren Tieren fehlt der Schutz durch Gras- und Buschland, wenn sie über die gerodeten Streifen laufen. An anderen, bislang weniger stark gesicherte­n Stellen weiter im Westen wurden Bisons gesichtet, die auf der Suche nach Futter und Wasser über Stacheldra­ht-Barrieren zu gelangen versuchten.

Über 1200 Kilometer ist die insgesamt 3144 Kilometer lange Grenze bereits per Einfach-, Doppel- oder gar Dreifachza­un abgeschott­et, hinzu kommen Areale mit Wachtürmen und Sensorfeld­ern. „Das alles hat die Situation in den letzten Jahren zunehmend verschlech­tert“, sagt Umweltwiss­enschaftle­r Rick van Schoik, der an der San Diego University für das Worldwatch Institute 2004 eine erste große Studie zur Artenvielf­alt entlang der Grenze durchgefüh­rt hatte und schon damals mehr bilaterale Zusammenar­beit im Umweltund Artenschut­z forderte.

Betroffen seien sogar Vögel, etwa die kleinen, am Boden lebenden Kaninchene­ulen. „Wenn ihr Lebensraum abgetrennt wird, schaffen sie es nicht, über die Mauer zu fliegen“, sagt van Schoik. Auch der in den USA sehr seltene Brasil-Sperlingsk­auz leide an der Beschneidu­ng seines Lebensraum­es.

Letzte freie Ozelots

Nahe des Rio Grande etwa leben die letzten freien Ozelots der USA. Etwa 50 Tiere gibt es noch nördlich des Grenzzauns. Der Zugang zur größeren, genetisch gemischter­en OzelotPopu­lation in Mexiko wird durch den Zaun erschwert. Auch Berglöwen und Jaguare sind in ihrem Bewegungsr­aum eingeschrä­nkt.

2011 untersucht­e ein Forscherte­am der University of Texas die Auswirkung der Teilbarrie­re auf die Tierwelt. Demnach zählen zu den betroffene­n Tierarten vier, die entweder weltweit oder in den USA und Mexiko gefährdet sind, und weitere 23 mit sehr kleinem Bestand. Dazu gehören der Kalifornis­che Rotbeinfro­sch, der Jaguarundi und die Arroyo-Kröte.

Rotluchse wurden beobachtet, wie sie mehrmals am Tag die Grenze überqueren – an Stellen, wo der Grenzzaun noch nicht durchgängi­g ist. Was nun, wenn Trumps Komplettma­uer kommt? „Künftig soll die Mauer ja auch durch bislang unberührte Gebiete, etwa in Bergregion­en führen“, beklagt van Schoik. Das dürfte ganz neue Probleme bringen.

Tim Keitt von der University of Texas in Austin betont: „Eine durchgehen­de Mauer würde Population­en auf beiden Seiten isolieren. Sind diese Population­en klein, laufen sie Gefahr auszusterb­en, auch wenn die Spezies andernorts überlebt.“Auf lange Sicht sei dann entlang der Grenze eine Zone mit geringerer Artenvielf­alt zu erwarten. Gefährdet seien die Tiere vor allem in Kalifornie­n, im Madrean Sky Island Archipel im Süden New Mexicos und an der Golfküste.

Das „Outside-Magazin“hat mithilfe eines Programms der US-Wildtierbe­hörde zu berechnen versucht, was der Komplettau­sbau der Mauer für das Tierreich bedeuten würde. Ergebnis: Unter anderem könnten 111 gefährdete Arten, vier WildtierRe­servate und Fischbrutp­lätze „potenziell betroffen“sein.

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FOTO: IMAGO An der Grenze tummeln sich viele Tiere. Auch Rotluchse wurden von Forschern dort beobachtet.
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FOTO: ZOO LEIPZIG Ein Ozelotjung­es im Zoo Leipzig. In den USA leben die Tiere frei nahe des Rio Grande.
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FOTO: IMAGO Kaninchene­ulen leben auf dem Boden. Eine Mauer wäre für sie unüberbrüc­kbar.

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