Begehrte Qualität
Der Preis des Erfolgs? Freiburgs Spieler haben Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz geweckt
Es hat sich herumgesprochen, dass Pressekonferenzen mit Freiburgs Trainer Christian Streich oft amüsant, immer aber aufschlussreich und höchst interessant sind. Immer öfter besuchen auch Reporter, die nicht im Südbadischen angesiedelt sind, diese Runden. Der sportliche Erfolg der neuntplatzierten Freiburger tut sein Übriges. Auch vor dem Spiel am Samstag gegen Dortmund (15.30/Sky) lieferte Streich eine erfrischende Vorstellung ab. Diesmal ging es nicht um Rassismus, die AfD oder Demokratie. Diesmal wies Streich, dieser gute Mensch von Freiburg, die Anwesenden in die Geheimnisse der Freiburger Fasnet ein. Immerhin dreieinhalb Minuten referierte der Coach, Schibi-Schibo, über den schönen alemannischen Brauch des Scheibenschlagens.
Wenn die Champions League lockt
Doch Streich ist natürlich ebenso mit Haut und Haaren Trainer des Sportclubs, wie er leidenschaftlicher Freiburger ist. Gegen Dortmund soll im Optimalfall der zehnte Saisonsieg gefeiert werden, es wäre der achte im heimischen Schwarzwaldstadion. Dass der SC seit elf Partien gegen den BVB keinen Punkt mehr geholt hat, und Streich bei acht dieser Niederlagen an der Seitenlinie stand, hat er natürlich nicht vergessen. „Ich habe schon überlegt, ob ich am Samstag überhaupt ins Stadion gehen soll“, scherzte er. Gleichwohl rechnet er sich etwas aus gegen den Tabellendritten. Weniger, weil beim BVB aufgrund einiger Mentalitätsunterschiede zwischen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Trainer Thomas Tuchel ein wenig der Haussegen schief hängt. Vor allem, weil Streich seine Mannschaft kennt. „Wenn alles passt, können wir Dortmund die Stirn bieten“, glaubt er. Außerdem: „Wesentlich für uns sind wir. Wir wollen unseren Stil durchbringen. Erst dann schauen wir auf Dortmund.“
Den Freiburger Stil durchbringen, das war schon vor mehr als zwei Dekaden das Geheimnis erfolgreicher Freiburger Mannschaften. Die legendären Breisgau-Brasilianer unter Volker Finke mischten die Liga einst ja nicht auf, weil sie die besten Spieler hatten, sondern weil sie wirklich eine Mannschaft waren und einen sehr speziellen, sehr attraktiven Fußball spielten. Breisgau-Brasilianer sollte die Klasse von 2016/2017 eher nicht genannt werden, dafür ist ihr laufintensiver Fußball eine Spur zu schnörkellos und geradlinig. Doch attraktiv ist auch Streichs Spielidee. Dazu kommt: „Diese Mannschaft hat starke Individuen. Eine Stärke ist, dass sie sich in die Gemeinschaft gut einbringen und dabei ihre Individualität behalten“, sagte der Trainer am Freitag zu Sky. Und weiter: „Wir haben jetzt Spieler, die ihre Qualitäten zeigen und auch individuell etwas entscheiden können.“
Dass Angreifer Maximilian Philipp (22 Jahre), Taktgeber Vincenzo Grifo (23) oder Abwehrspieler Caglar Söyüncü (20), um drei der zuletzt herausragenden Akteure zu nennen, über eine individuelle Qualität verfügen, die auch größeren Clubs als Freiburg helfen könnte, ist natürlich auch der Konkurrenz aufgefallen. Neben Torhüter Alexander Schwolow (24), der intensiv von Bayer Leverkusen beobachtet werden soll für den Fall, dass deren Keeper Bernd Leno eine neue Herausforderung suchen sollte im Sommer, gilt vor allem dieses Trio als ziemlich begehrt. Der vielseitige Philipp, mit sieben Saisontoren aktueller Toptorschütze des SC, war schon letzten Sommer ein Thema beim BVB; auch Mönchengladbach, Arsenal und Tottenham aus England sollen ihn beobachten. Laut „Kicker“soll Gladbach noch stärkeres Interesse an Grifo haben, der angeblich per Ausstiegsklausel aus seinem eigentlich bis 2019 laufenden Vertrag herausgekauft werden könnte. Und Söyüncü, den der SC in der zweiten türkischen Liga entdeckte, soll das Interesse des russischen Spitzenclubs Zenit St. Petersburg geweckt haben.
Streich hofft zwar, „dass wir diese Mannschaft so weit wie möglich zusammenhalten“. Der Wunsch sei „dann vielleicht noch mehr Stabilität reinzubekommen“und „weiter oben mitspielen“zu können. Doch natürlich kennt auch er die Mechanismen des Geschäfts. Wenn das Geld – oder der internationale Wettbewerb – locken, sind die allermeisten Spieler irgendwann schwach geworden. Andererseits: Wer, wenn nicht Streich und den Freiburgern, wäre es zuzutrauen, die üblichen Mechanismen etwas auszuhebeln? Freiburg: Schwolow – Kübler, Torrejon, Söyüncü, Günter – Frantz, Höfler – Philipp, Grifo – Petersen, Niederlechner. – Dortmund: Bürki – Piszczek, Sokratis, Bartra, Schmelzer – Weigl – Castro, Guerreiro – Dembélé, Reus – Aubameyang. 2. Bundesliga (22. Spieltag) Würzburger K. – Greuther Fürth 1:1 (0:0) 1:0 Schröck (47.), 1:1 Junior Diaz (52., Eigentor); Zuschauer: 10 251. Sandhausen – Braunschweig 0:1 (0:0) 0:1 Boland (71.); Zuschauer: 4721. Union Berlin – 1860 München 2:0 (1:0) 1:0 Skrzybski (41.), 2:0 Hedlund (60.); Zuschauer: 20 176.