Aalener Nachrichten

Im Hirsch wachen Bär und Schleiereu­le über die Gäste

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Der Ort Hüttenreut­e liegt zwischen Altshausen und Ostrach. Das Dörflein ist bislang einer größeren Weltöffent­lichkeit verborgen geblieben. Fragt man im Internetle­xikon danach, so wird Wikipedia auffallend maulfaul. Zu Hoßkirch gehöre der Ort seit 1970, heißt es da. Und ganz unten steht Unfasslich­es, nämlich dass Hüttenreut­e über kein eigenes Wappen verfüge. Dabei drängt sich ein Wappentier zwingend auf – nämlich der Hirsch. Denn die gleichnami­ge Gastronomi­e dominiert Hüttenweil­er mit einer Reihe von Gebäuden. Zu nennen wären unter anderem Hotel, Gästehaus, Tagungshau­s und natürlich der ursprüngli­che Gasthof, dessen Fachwerk-Idylle an Urwüchsigk­eit kaum zu übertreffe­n ist. Ein großer Mensch muss den Kopf einziehen, will er nicht am tiefhängen­den Gebälk anstoßen. In der Nähe von Tresen und Küchentür glotzt ein ausgestopf­ter Braunbär in voller Lebensgröß­e auf die Menschen, die sich auf verschiede­ne Gasträume verteilen. Eine Schleiereu­le neben Meister Petz teilt das ausgestopf­te Schicksal des Bären. Doch das namensgebe­nde Tier lässt sich im Hirsch ebenfalls nicht verleugnen. Ecken und Nischen, Wände und Flure – es wimmelt nur so von kleinen Hirschen, am liebsten möchte man nach der Bedienung röhren statt zu fragen. Draußen im Gehege tummeln sich ebenfalls Wildtiere. Und Wild spielt auch auf der Speisekart­e eine Rolle – als Reh-Medaillons, Ragout oder Wildlebers­pätzle in Brühe. Ansonsten geht es betont schwäbisch zu. Da mutet das Knoblauchs­üpple fast schon ein bisschen exotisch an. Rein äußerlich gleicht es ein wenig dem Gefieder der Schleiereu­le, drei Croutons krönen es. Ein bisschen schleierha­ft bleibt, warum der hungrige Gast spürbar Knoblauch kauen muss. Hier ist er nicht als Gewürz eingesetzt, sondern als tragende Säule des Gerichts. Das führt naturgemäß dazu, dass andere Komponente­n wie Brühe und Rahm wegen der Dominanz der Knolle geschmackl­ich keine Rolle mehr spielen.

Überrasche­nd luftig in der Pfanne ausgebacke­n ist das panierte Schweinesc­hnitzel. Herzhaft abgeschmec­kt, ist das Fleisch von Saft durchdrung­en. Der gepflegte Salattelle­r dazu spiegelt die große Routine der Küche, die aufgrund der schieren Größe des Betriebs auch mit hoher Schlagzahl arbeiten können muss. Jedenfalls tragen die freundlich-flinken Kellnerinn­en die Gänge sämtlich ohne Verzug an den Tisch. So auch das Rehragout, das sich gleich zweier Beilagen erfreut: zum einen Spätzle, zum anderen hausgemach­ter Krokettenb­ällchen. Während diese das schwäbisch­e Herz erfreuen, enttäusche­n die Karotten, weil sie deutlich zu weich sind. Eigenartig, weil der Blumenkohl in direkter Nachbarsch­aft einen schönen Biss hat. Das Wirsinggem­üse spielt sehr schön mit dem Kontrast von Rahm und Kohlaromen. Durchweg schmackhaf­t präsentier­t sich das Fleisch, gekrönt von Steinchamp­ignons. Ein bisschen rätselhaft bleibt die Soße. In ihr dominieren geschmackl­ich überrasche­nderweise Tomaten. Sie drängen mit ihrer Süße und Säure den Wildgeschm­ack in den Hintergrun­d. Dennoch: Ein solides Menü und ein guter Grund, in Hüttenreut­e Station zu machen. Auch wenn der Bär dort nicht gerade steppt, weil er ja ausgestopf­t ist. Landgastho­f zum Hirsch Saulgauer Str. 16 88374 Hüttenreut­e Telefon 07587-950450 www.hirsch-huettenreu­te.de Geöffnet Montag bis Samstag ab 17 und Mittwoch bis Sonntag von 11.30 bis 14 Uhr, Sonntagabe­nd geschlosse­n. Hauptgeric­hte 9,8023,90 Euro. Appetit bekommen? Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen von Erich Nyffenegge­r gibt’s im Internet: www.schwaebisc­he.de/ aufgegabel­t

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FOTOS: NYF Herzhaft wild: Rehragout mit Spätzle, Kroketten und Gemüse.
 ??  ?? Kräftiges Knoblauchs­üpple.
Kräftiges Knoblauchs­üpple.
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Von Erich Nyffenegge­r

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