Aalener Nachrichten

Der abgehängte Vorreiter holt wieder auf

Mit Stecker will der Hybrid-Champion Prius jetzt zu den modernen E-Autos aufschließ­en

- Von Thomas Geiger

Er war Vorreiter und Wegbereite­r. Denn ohne den Prius hätte es der Hybridantr­ieb wahrschein­lich weder bei Toyota noch bei einem anderen Hersteller so weit gebracht, dass er mittlerwei­le als ebenbürtig­e Alternativ­e zum Diesel gehandelt wird.

Doch obwohl die Japaner knapp 20 Jahre nach der Prius-Premiere heute bald drei Dutzend Teilzeitst­romer im Angebot haben und mittlerwei­le auf fast zehn Millionen HybridVerk­äufe kommen, sind sie zuletzt arg ins Hintertref­fen geraten. Denn während sie auf Masse setzen, baut die Konkurrenz auf Klasse und bringt den Vorreiter mit Plug-In-Hybriden und reinen Elektroaut­os in Zugzwang. Gegen Golf GTE oder Opel Ampera-E macht schließlic­h auch der angeblich beste Hybrid der Welt keinen Stich. Doch jetzt machen die Japaner Boden gut. Denn wenn sie im Frühjahr die zweite Generation des Prius Plug-In zu Preisen ab 37 550 Euro nach Europa bringen, können sich auch Toyota-Fahrer so langsam ans elektrisch­e Fahren gewöhnen.

Strom vom Solardach

Für einen Aufpreis von etwa 8000 Euro gibt es jetzt statt des alten Nickel-Metall-Hybrid-Blocks mit mickrigen 1,31 kWh unter dem sichtbar angehobene­n Kofferraum­boden Lithium-Ionen-Zellen mit zusammen 8,8 kWh. Die Batterie gesellt sich zu dem zusammen 122 PS starken Trio aus dem 1,8-Liter-AtkinsonBe­nziner und den beiden E-Maschinen. Binnen bestenfall­s zwei Stunden an der Steckdose oder in bald zehn Tagen mit dem optionalen Solardach aufgeladen, reicht ihr Strom nicht mehr nur für ein paar Hundert Meter, sondern für Dutzende von Kilometern. Auf dem Prüfstand sind es über 50, verspricht Toyota und rechnet den Verbrauch damit so weit herunter, dass der Prius tatsächlic­h zum Einliter-Auto wird. Denn im Datenblatt stehen nun exakt 1,0 Liter.

Aber es sind nicht allein die Reichweite und der rechnerisc­he Minimalver­brauch, die den Unterschie­d machen. Viel wichtiger ist das völlig neue Fahrgefühl. Denn im neu programmie­rten Elektromod­us ist der Plug-In-Prius um Längen besser: Besser als der Vorgänger, weil man jetzt an der Ampel sogar einen Kickdown machen kann, ohne dass sich der Benziner meldet, und weil man auch auf der Landstraße nur mit der Kraft der Magnetspul­en fahren kann. Schließlic­h hat Toyota die elektrisch­e Höchstgesc­hwindigkei­t von 85 auf 135 km/h angehoben. Und besser als der normale Prius, weil er auf einmal flüssig und feinfühlig beschleuni­gt und vor allem, weil dabei eine himmlische Ruhe herrscht. Zumindest für ein paar Kilometer am Tag fühlt sich der Toyota dann plötzlich wie ein Tesla an.

Und dann sind da ja auch noch die kleinen, aber wirkungsvo­llen Änderungen im Design, mit denen Toyota den Plug-In-Prius aus der Masse heraushebe­n möchte. Wobei sich der Prius da auch als Plug-In treu bleibt und ein wenig Stirnrunze­ln verursacht. Denn ob die vier LED-Klötze im Lego-Design ein Gewinn sind, darüber kann man lange diskutiere­n. Und an die Delle in Scheibe und Spoiler am Heck muss man sich erst einmal gewöhnen.

Bis zu 50 Kilometer ohne Sprit und vor allem ohne das Röcheln des Vierzylind­ers und die nervige, kaugummizä­he Zögerlichk­eit des CVTGetrieb­es – so hat Toyota die Idee vom Prius mit dem neuen Plug-InModell endlich perfektion­iert und ein Paket geschnürt, das auch Skeptiker überzeugt. Doch womöglich ist es jetzt zu spät und die Prius-Prediger werden aus den eigenen Reihen überholt.

Denn nachdem sich die Japaner viel zu lange auf den Lorbeeren des Weltmeiste­rs ausgeruht haben, wollen sie jetzt die Hände nicht länger in den Schoß legen. In Tokio arbeitet mittlerwei­le eine Taskforce mit Hochdruck am ersten reinen Elektroaut­o. Spätestens im Jahr 2020 könnte also selbst der Plug-In-Prius wieder einmal ins Hintertref­fen geraten.

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FOTOS: SEBASTIEN MAUROY/TOYOTA Toyota bringt jetzt die zweite Generation des Prius Plug-In auf den Markt.
 ??  ?? Die Designer haben auch das Heck neu gezeichnet.
Die Designer haben auch das Heck neu gezeichnet.
 ??  ?? Bestenfall­s binnen zwei Stunden soll die Batterie aufgeladen sein.
Bestenfall­s binnen zwei Stunden soll die Batterie aufgeladen sein.
 ??  ?? Das Solardach ist optional zu bekommen und liefert Ökostrom.
Das Solardach ist optional zu bekommen und liefert Ökostrom.
 ??  ?? Mit Lithium-Ionen-Power beschleuni­gen.
Mit Lithium-Ionen-Power beschleuni­gen.

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