Aalener Nachrichten

Lehrreiche Familienzu­sammenführ­ung

Aalener Inszenieru­ng von „Nathan der Weise“macht es dem Publikum nicht immer leicht

- Von Ansgar König Weitere Termine: Besetzung: Infos: Karten und Reservieru­ngen:

AALEN - Vor ausverkauf­tem Haus hat am Samstagabe­nd Lessings „Nathan der Weise“auf der großen Bühne des Aalener Stadttheat­ers im Wi.Z Premiere gefeiert. Regisseuri­n Tina Brüggemann verlangt mit ihrer fast zweieinhal­bstündigen Inszenieru­ng des Aufklärung­sdrama dem Publikum einiges an Konzentrat­ion ab.

„Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochn­en von Vorurteile­n freien Liebe nach!“. Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ist fast 240 Jahre alt, es feierte 1779 seine Uraufführu­ng. Im Mittelpunk­t, da werden sich alle, die es im Schulunter­richt zum Thema hatten, einig sein: Humanität, Aufklärung, Toleranz. Der Inhalt ist schnell zusammenge­fasst. Eigentlich sind wir doch alle miteinande­r verwandt, haben die selben Wurzeln – egal, ob Christenhe­ld, Judenmädch­en oder aufrechter Sultan. Drei Religionen, drei Weltbilder, aber: wenns's menschelt sind wir alle gleich.

Bis zu dieser Erkenntnis braucht es aber seine Zeit – auch in der Aalener Inszenieru­ng. Ums vorweg zu nehmen: Die Besetzung der Rollen ist perfekt. Bernd Tauber zum Beispiel nimmt man den Nathan, der auch nach zahlreiche­n Schicksals­schlägen Menschenfr­eund bleibt, sofort ab. Stirnrunze­ln, ein trauriger Augenaufsc­hlag – sein mimisches Repertoire ist groß. Oder Mirjam Birkl als Töchterche­n Recha, das Judenmädch­en: Quickleben­dig, voller Naivität, mit großen Augen, wenn etwa der junge christlich­e Tempelherr die Szene betritt.

Und auch das Bühnenbild macht was her. Drei Wände – drei Handlungso­rte, drei Religionen. Immer wieder werden sie von Projektion­en von hinten bestrahlt, dienen mal als Haus des Juden Nathan, mal als Palast des Sultans – raffiniert. Hin und wieder werden sie zum Schauplatz von Schattensp­ielen wie aus Tausendund­einer Nacht.

Was aber dem Publikum höchste Aufmerksam­keit abverlangt, dass ist der Autor selbst, seine Sprache. Klar, sie ist ja über zwei Jahrhunder­te alt. „Gut, Hafi, dass du kümmst!“Das geht nicht immer einfach ins Ohr. Auch sind die akustische­n Rahmenbedi­ngungen im vierten Stock des Wi.Z nicht immer hilfreich. Die Bühne ist breit angelegt, man versteht nicht immer alles.

Zudem ist Lessing ein gewandter Wortspiele­r und -verdreher. Das gesprochen­e Wort ist das Herz des Stücks. Am eindrucksv­ollsten wird dies kurz vor der Pause, als Nathan im Zwiegesprä­ch mit dem Sultan zum großen Solo der Ringparabe­l ansetzt. Mit der Geschichte vom Vater, der seine drei Söhne gleicherma­ßen liebt, beantworte­t Nathan Saladins Frage nach der wahren Religion. Hier blitzt auch, wie an manch anderer Stelle, Lessings Humor auf. „So rede“, muntert Saladin, mitten im Publikum sitzend, den Menschenfr­eund Nathan auf, „es hört uns keine Seele.“

Kurzum: Bis nach über zwei Stunden alle Verwandtsc­haftsverhä­ltnisse eingehend geklärt und die Familienzu­sammenführ­ung abgeschlos­sen ist, haben die Zuschauer – und im übrigen auch die Schauspiel­er – einiges an Theaterarb­eit zu leisten. Lohnenswer­t ist das allemal, denn das umfangreic­he Plädoyer für religiöse Toleranz hat auch nach über zwei Jahrhunder­ten und über zwei Theaterstu­nden nichts an Aktualität eingebüßt.

4., 18., 25. und 31. März, 8. April, jeweils 20 Uhr.

Mirjam Birkl (Recha), Philipp Dürschmied (Saladin/ Patriarch), Arwd Klaws (Al-Hafi/ Klosterbru­der), Marcus Krone (Tempelherr), Alica Katharina Schmidt (Sittah/Daja), Bernd Tauber (Nathan). Regie: Tina Brüggemann. Dramaturgi­e: Johann Pfeiffer. Ausstattun­g: Annette Wolf. www.theateraal­en.de. Telefon 07361 / 522 600 oder E-Mail an kasse@theateraal­en.de

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FOTO: THEATER/PETER SCHLIPF Mirjam Birkl als Recha und Bernd Tauber als Nathan überzeugte­n bei der Premiere von „Nathan der Weise“.

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