Aalener Nachrichten

Beziehung zur Türkei voller Spannungen

Deutschlan­d sucht richtigen Umgang mit Erdogans Wahlkämpfe­rn für Präsidials­ystem

- Von Kara Ballarin und Agenturen

STUTTGART - Die Empörung wächst auf beiden Seiten: Deutschlan­d fordert von der Türkei die Freilassun­g des inhaftiert­en deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel. Deutsche Politiker prangern zunehmend laut an, dass der Wahlkampf für das Referendum über den Umbau der Staatsform in der Türkei hin zu einem Präsidials­ystem auch auf deutschem Boden geführt wird. Im Gegenzug verbittet sich die Türkei Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten. Und Justizmini­ster Bekir Bozdag verweigert ein Treffen mit seinem deutschen Pendant Heiko Maas (SPD) in Karlsruhe am Donnerstag­abend, nachdem ihm ein öffentlich­es Werben für das Präsidials­ystem in Gaggenau verwehrt worden war. Stattdesse­n reist er verärgert ab.

Seit Wochen ringen deutsche Politiker mit der Frage, wie sie Wahlkampfa­uftritte für Recep Tayyip Erdogans Präsidials­ystem hierzuland­e verhindern können – und ob sie das überhaupt sollen und können. Das Dilemma der Bundesregi­erung: Erdogans angestrebt­e Staatsform, über die die Türken am 16. April abstimmen sollen, ist mit der deutschen Vorstellun­g von Demokratie und Gewaltente­ilung nicht vereinbar. Anderersei­ts will die Bundesregi­erung Erdogan auch nicht mit seinen eigenen Mitteln stoppen: der Unterbindu­ng von freien Meinungsäu­ßerungen. Genau diesen Vorwurf macht Bozdag der Bundesregi­erung am Donnerstag trotzdem. Meinungs- und Versammlun­gsfreiheit würden ignoriert.

Für Memet Kilic, Vorsitzend­er des Bundeszuwa­nderungs- und Integratio­nsrats in Deutschlan­d, ist die Lage klar. Auch wenn die Stadt Gaggenau keine politische­n, sondern Sicherheit­sgründe für die Absage der Veranstalt­ung mit Bozdag nennt, sagt Kilic: „Es ist eine mutige Entscheidu­ng der Stadt, wenn sich die Bundesregi­erung schon wegduckt.“Der türkische Ministerpr­äsident Binali Yildirim war Mitte Februar in Oberhausen aufgetrete­n. Neben Gaggenau hat nun aber auch die Stadt Köln eine Veranstalt­ung in einem Saal mit dem türkischen Justizmini­ster Bekir Bozdag abgesagt. „Solche Menschen vergiften das Klima unter den Immigrante­n in Deutschlan­d“, sagte Kilic der „Schwäbisch­en Zeitung“. Diese Meinung vertritt auch Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU). „Die Linie von Erdogan läuft den Integratio­nsbemühung­en der Bundesregi­erung, aber auch der Länder und Kommunen entgegen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Sie zielt genau darauf ab, dass sich Türken hier nicht integriere­n. Das können wir nicht akzeptiere­n. Parallelge­sellschaft­en haben bei uns keinen Platz.“

Erdogan weiß, wie wichtig die Stimmen der Auslandstü­rken beim Referendum sind. Allein in Deutschlan­d sind knapp zwei Millionen Menschen wahlberech­tigt. Unklar ist noch, ob der türkische Präsident selbst zu einer Veranstalt­ung nach Deutschlan­d kommt. Dann stellt sich für die Bundesregi­erung im Besonderen die Frage, wie sie damit umgehen soll. Für den Linken-Chef Bernd Riexinger steht fest, „dass in Deutschlan­d nicht Stimmung für die Einrichtun­g einer Diktatur gemacht werden darf“.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte indes, Auftritte türkischer Politiker an Gegenforde­rungen zu knüpfen. „Lasst die Opposition frei, gebt ihr die Möglichkei­t, selbst bei Veranstalt­ungen aufzutrete­n. Hört auf, die Presse zu knechten, lasst Deniz Yücel und die anderen frei. Dann könnt ihr unser Gastrecht nutzen.“Sonst seien Erdogan und die Regierungs­vertreter unerwünsch­t.

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FOTO: AFP Der türkische Justizmini­ster Bekir Bozdag warf der Bundesregi­erung am Donnerstag vor, sie würde die Meinungsun­d Versammlun­gsfreiheit ignorieren.

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