Kampf gegen eine dreiste Abzocke
Gauner wollen bei älteren Menschen Geld für angeblichen Telefonsex eintreiben.
AALEN - Sie nennen sich Simex, Roxborough Inc., E.N.E.C. Inkasso oder Adex, seit Neuestem auch Comertus Inkasso – allesamt angebliche Firmen, die Geld für angebliche Telefonsex-Dienstleistungen in Rechnung stellen oder eintreiben wollen. Und das seit Jahren, vor allem bei älteren Menschen, deutschlandweit. Seit sechs Jahren kämpft auch Franz A. (Name von der Redaktion geändert) aus Aalen gegen diese Abzocke-Flut. Abstellen können hat er sie trotz anwaltlichen Beistands bislang allerdings nicht. Denn gegen die Gauner, die offenbar nur darauf setzen, dass doch jemand Geld überweist, obwohl solche Dienstleistungen nie in Anspruch genommen wurden, scheint kein Kraut gewachsen.
Die Masche ist immer dieselbe: Ein Brief von einer völlig unbekannten Firma flattert ins Haus. Darin eine Rechnung mit Zahlungsaufforderung für ein Telefonsex-Gespräch, das der Empfänger über seine Telefonnummer angeblich geführt haben soll – oft, aber nicht immer, mit genauer Angabe des Datums, der Uhrzeit und der Gesprächsdauer. Der zunächst geforderte Betrag schwankt: Mal sind es 90, mal gleich 195 Euro. Bevor der Empfänger richtig realisieren kann, womit er es überhaupt zu tun hat, liegen wenige Tage später schon die ersten, meist massiv formulierten Mahnungen im Briefkasten – von angeblichen Inkasso-Unternehmen mit nun teils gewaltigen Forderungen samt Mahngebühren und Säumniszuschlägen. In einem Fall schnellte der Betrag bei Franz A. dabei von 90 auf 550 Euro hoch.
Spuren führen nach Tschechien
Die Namen der Firmen, die ihn damit seit sechs Jahren bombardieren, kann der 68-Jährige inzwischen auswendig im Schlaf aufsagen: Simex, Roxborough Inc., E.N.E.C. Inkasso, Adex, R.M.I., Euro Inkasso Solutions, Allinkasso GmbH München, Adecto Petersberg und, und, und. Das jüngste Drohschreiben hat Franz A. von einer Firma Comertus Inkasso erhalten: Postanschrift: eine „P. O. Box“in der tschechischen Stadt Horovice. Bankverbindung: ebenfalls in Tschechien. Abgestempelt sind die Schreiben hingegen in der Regel in Fulda. Wo auch die Drahtzieher der Abzocke sitzen, wie Franz A. inzwischen in unzähligen Recherchen und Telefonaten mit Behörden und Ermittlern herausgefunden hat. Und was unter anderem auch im Internet inzwischen zigfach nachzulesen ist. „Seit über einem Jahr mache ich nichts anderes als dem nachzuforschen“, sagt der Aalener Rentner, der die Zahl älterer Menschen in ganz Baden-Württemberg, die regelmäßig solch dubiose Post bekommen, auf inzwischen 14 000 beziffert. Mittlerweile hat er auch Kontakt zu anderen Leidensgenossen auf der Ostalb aufgenommen, darunter seien auch Frauen.
40 verschiedene Firmennamen
Unter über 40 verschiedenen Firmennamen sind die Abzocker offenbar tätig, was Franz A. auch die Fuldaer Staatsanwaltschaft bestätigt hat. In deren Visier sind dabei schon seit Längerem auch zwei der mutmaßlichen Hauptdrahtzieher, nämlich Martina John und Anton Hauer. Das Geflecht der Briefkasten- und Phantomfirmen führt allerdings relativ schnell weg vom Fuldaer Raum unter anderem nach Tschechien. Eine der Firmen, nämlich R.M.I., gibt als Sitz die Britischen Jungferninseln in der Karibik an. Ein paar Mal hat Franz A. auch schon versucht, mit den Absendern der Briefe – einen bis zwei erhält er mindestens jede Woche – telefonischen Kontakt aufzunehmen. Nimmt jemand ab, „werden die richtig gewalttätig und drohen mit allem Möglichen“, schildert er seine Erfahrungen.
Bezahlt hat Franz A. in all den Jahren allerdings noch keinen Cent an die Abzocker. Dafür hat er den Aalener Rechtsanwalt Christoph Reichart eingeschaltet. Der dringend empfiehlt, in solchen Fällen keine Zahlungen zu leisten. Er habe, so sagt der Jurist den „Aalener Nachrichten“, in derartigen Fällen auch noch nie erlebt, dass solche dubiosen Firmen auf dem Klageweg gegen jemand vorgegangen wären. Was als Indiz dafür gelten könne, dass die Forderungen aus der Luft gegriffen sind. Außerdem müsste zunächst der Telefonanbieter Inkasso in Anspruch nehmen, nicht eine angebliche Firma, die angebliche Dienstleistungen anbiete. Und ganz wichtig: Die Beweislast für einen Zahlungsanspruch, so der Anwalt, liege eindeutig bei dem, der ihn geltend mache.
Bei solchen Abzockversuchen, die immer wieder auch in Wellen auftreten würden, könne man zwar über den Tatbestand des versuchten Betruges nachdenken, allerdings sei das Strafrecht ein Personenstrafrecht, erklärt Reichart weiter. Man könne strafrechtlich also nicht gegen eine Firma als Ganzes vorgehen. Und genau da wird es im Falle von solch dubiosen Phantomfirmen schwierig: Entweder wechselten diese sehr häufig ihre angeblichen Inhaber oder Geschäftsführer, oder diejenigen, die als solche aufträten, wechselten genauso häufig die Namen der Firmen. Und oftmals säßen die wahren Hintermänner irgendwo in Osteuropa.
sagt Rudolf Bihlmaier, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen.
Letztlich nur aussitzen
Der grundsätzliche Rat des Anwalts daher: nicht reagieren und rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen, vor allem wenn Inkasso-Unternehmen auftauchen oder massive Drohungen im Raum stehen. Letztlich könne man so etwas aber nur aussitzen, ein Kraut sei dagegen kaum gewachsen, sagt Reichart.
„Wenn es Betrüger sind, können sie ihre Forderungen gar nicht gerichtlich durchsetzen“, sagt auch Rudolf Bihlmaier, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Aalen. Gibt aber auch zu bedenken, dass selbst seriöse Inkasso-Unternehmen auf betrügerische Auftraggeber hereinfallen könnten. Deshalb rät Bihlmaier, bei Erhalt solcher Schreiben zu prüfen, ob die Forderungen berechtigt oder falsch sind, und im Falle massiver Drohungen Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei Mahnbescheiden mit Pfändungsandrohungen könne dabei auch die Rechtspflege beim Amtsgericht weiterhelfen.
Abzocker sammeln Adressen
Franz A. fragt sich vor allem, weshalb gerade ältere Menschen so massiv in das Visier solcher Abzocker geraten. „Die kaufen mit Sicherheit Datenstämme auf“, ist er überzeugt. Eine Vermutung, die sein Anwalt im Grundsatz teilt, sie aber so formuliert: „Solche Firmen sammeln offenbar Adressen, auf welchem Weg auch immer.“Dass manche Rechnungsempfänger dabei für solche angeblichen Telefonsex-Dienstleistungen bezahlen, obwohl sie diese nie in Anspruch genommen haben, geschehe vermutlich aus Schrecken und Scham, aber auch aus Angst vor den angedrohten Konsequenzen, vermutet Reichart. Und genau darauf setzten die Absender solcher Schreiben.
„Wenn es Betrüger sind, können sie ihre Forderungen gar nicht gerichtlich durchsetzen“,