Signal der Vernunft
Da werden einige in der SPDLinken, bei Grünen oder Linkspartei, die auf eine Generalabwicklung der Agenda 2010 gehofft hatten, mächtig enttäuscht sein. Martin Schulz präsentiert ein Konzept, das eine längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I nur in Verbindung mit Weiterbildung oder Umschulung vorsieht. Dass die SPD darauf verzichtet, das Sozialleistungsfüllhorn auszuschütten und das Arbeitslosengeld bedingungslos zu verlängern, ist ein Signal der Vernunft.
Wird die Chance zur Qualifizierung konsequent genutzt, wäre dem vom SPD-Kanzlerkandidaten so oft zitierten 50-Jährigen geholfen, der nach Jahrzehnten in Arbeit Angst hat, seinen Job zu verlieren und nach 15 Monaten Arbeitslosengeld I auch noch sein Häuschen und das Ersparte. Er hätte Sicherheit und eine Perspektive, aus der er in Eigenverantwortung etwas machen kann. Eben noch standen die Sozialdemokraten unter Verdacht, das Reform-Erbe von Gerhard Schröder zu verraten und in Sozialpopulismus zu verfallen. Nun präsentieren sie Vorschläge, die immerhin dem Gedanken des lebenslangen Lernens und der zunehmenden Herausforderung durch den Fachkräftemangel Rechnung tragen. Weiterbildung ist eines der großen arbeitsmarktpolitischen Schlüsselthemen der Zukunft. Schließlich werden immer mehr Menschen immer länger arbeiten müssen.
Schulz wird dem linken Lager allerdings sehr gut erklären müssen, warum er diesen Reformvorschlag macht und keinen anderen. Schließlich hat er mit seinen zunächst sehr vagen Ankündigungen, Agenda-Fehler korrigieren zu wollen, in Kauf genommen, überzogene Erwartungen zu wecken. Die Arbeitgeber-Kritik, Qualifizierung verbunden mit einem längeren ALG I könne zu einer neuen Frühverrentungswelle führen, geht fehl. Sind es doch die Unternehmen, die lautstark über fehlende Fachkräfte klagen. Wer einem über 50-Jährigen, der vorübergehend arbeitslos war und sich weiterqualifiziert hat, eine Chance gibt, bekommt einen erfahrenen Arbeitnehmer mit erweiterten Kenntnissen.