Aalener Nachrichten

Ein Schloss für den Bürgermeis­ter

Die Stadt Markdorf hat das bundesweit bekannte Vier-Sterne-Hotel „Bischofsch­loss“gekauft – Nun zieht dort die Verwaltung ein

- Von Julia Freyda

MARKDORF - 102 Betten, 220 Kissen, 58 Fernseher, 50 Kleidersch­ränke und aus zwei voll ausgestatt­eten Küchen rund 2000 Geschirrte­ile. Die Geschwiste­r Gerda und Bernd Reutemann müssen sich nach 15 Jahren nicht nur vom Betrieb des Vier-Sterne-Hotels und Restaurant­s „Bischofsch­loss“in Markdorf (Bodenseekr­eis) trennen, sondern auch von der Ausstattun­g. „Da hat sich doch so einiges angesammel­t“, bilanziert Geschäftsf­ührer Bernd Reutemann.

Noch bis 23. Oktober hat das „Bischofsch­loss“seine Türen geöffnet. „Aber je näher das Datum rückt, desto mehr müssen wir uns auch mit dem Ende des Betriebs befassen“, sagt der 48-Jährige. Das machen er und seine Schwester nicht freiwillig. Hintergrun­d für die Schließung des Hotels und Restaurant­s sind Pläne der Stadtverwa­ltung, selber in das historisch­e Gebäudeens­emble zu ziehen. Die Idee dazu zauberte Markdorfs Bürgermeis­ter Georg Riedmann Ende Oktober 2015 für die Öffentlich­keit überrasche­nd aus dem Hut. Bei einer Bürgervers­ammlung sollten eigentlich die Pläne für eine Erweiterun­g und Umgestaltu­ng des Rathausare­als vorgestell­t werden. Doch der Bürgermeis­ter brachte plötzlich eine ganz neue Variante ins Spiel: Die Stadtverwa­ltung kauft dem Mehrheitse­igentümer das „Bischofsch­loss“ab und zieht selber ein.

Kauf besiegelt das Aus

Nichtöffen­tlich hatten Verwaltung und Gemeindera­t bereits seit Monaten die Pläne für den Schlosskau­f diskutiert. Anlass war einerseits die Bitte des Pächters, für die Zukunftsfä­higkeit des Betriebs Sanierunge­n anzugehen. Anderersei­ts die Bitte des Mehrheitse­igentümers – der Markdorfer Unternehme­r Albert Weber – die Besitzverh­ältnisse des „Bischofsch­losses“zu klären, bevor der Pachtvertr­ag für Hotel und Restaurant verlängert wird. Denn zwar gehören Weber rund 83 Prozent des historisch­en Ensembles. Aber die Stadt Markdorf ist im Besitz von Grundstück, Rittersaal und Tiefgarage. Die Eigentümer­familie Weber schloss aus, sich bei den bisherigen Besitzverh­ältnissen weiter finanziell zu engagieren. Stadtverwa­ltung und Gemeindera­t wiederum weigerten sich, den eigenen Anteil zu verkaufen. Der Ausweg: Die Stadt wird Alleineige­ntümer des „Bischofsch­loss“. Grundsätzl­ich wäre zwar eine Fortsetzun­g des Hotels und Restaurant­s mit der Stadt als Verpächter möglich gewesen. Dies schlossen aber sowohl die Familie Reutemann als auch die Verwaltung von vornherein als Option aus. Mit dem Kauf des „Bischofsch­losses“war somit das Aus des Betriebes besiegelt.

Im Sommer 2016 wurde die Stadt Markdorf Alleineige­ntümer des „Bischofsch­losses“. Der Kaufpreis: 3,85 Millionen Euro. Für den Neubau der Schlosssch­euer sowie Umbau und Sanierung sind nach einer groben Kostenschä­tzung 11,8 Millionen Euro veranschla­gt, damit die Stadtverwa­ltung einziehen kann. In der Bevölkerun­g findet das Vorhaben aber nicht nur Unterstütz­ung. Während die einen den Kauf befürworte­n, um eine sinnvolle Nutzung des stadtbildp­rägenden Gebäudes zu sichern, äußern Kritiker unterschie­dliche Bedenken. Etwa über die Folgekoste­n, die durch einen Umzug in ein historisch­es Gebäude entstehen können. Auch sei es eine Herausford­erung, eine moderne Verwaltung in den alten Mauern unterzubri­ngen. Nicht zuletzt verliere Markdorf ein Hotel und Restaurant, das überregion­al bekannt und beliebt ist – von den Gästen profitiert­e nicht nur das „Bischofsch­loss“, sondern auch Gastronomi­e und Handel in der Stadt.

Abschied ohne Groll

Für Gerda und Bernd Reutemann bedeuten die Umzugsplän­e emotional und logistisch den Abschied von einem Betrieb, den sie in den vergangene­n 15 Jahren aufgebaut haben. „Wir bedauern zwar das Ende sehr, aber hegen keinen Groll gegen die Stadt“, versichern die Geschwiste­r. So wie es einst ein erstes Mal für sie im „Bischofsch­loss“gegeben habe, werde nun das letzte Mal zelebriert. Und nebenbei die Auflösung geplant. Logistisch ein nicht ganz einfaches Vorhaben. Daher stehen die Geschäftsf­ührer schon jetzt mit Hilfsorgan­isationen aus der Region in Kontakt, welche die Innenausst­attung bekommen sollen. „Alle Möbel gehen zum Beispiel mit dem Lastwagen an ein Kinderheim in Rumänien. So erfüllen wir noch einen guten Zweck“, sagt Bernd Reutemann.

Mitnehmen wollen er und seine Schwester aus dem Betrieb nur ihr Wissen „und viele schöne Erinnerung­en“. Zum Beispiel an Prominente wie Udo Jürgens, Sonja Zietlow, Jörg Pilawa, Otto Waalkes, Silbermond, Ray Garvey, einige Scheichs und Minister. Und auch einige kuriose Anekdoten: Etwa über einen Hotelgast, der ständig mit anderen Damen auftauchte und ihnen Heiratsant­räge machte. „Wir haben ihn dann oft mit viel Show unterstütz­t, aber er bekam immer einen klaren Korb und hat es dann wohl auch irgendwann aufgegeben“, erinnert sich Gerda Reutemann. Aber die stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin denke auch sehr gerne an 18 Auszubilde­nde, von denen bereits einige selbst erfolgreic­he Hoteliers geworden sind.

Erfolge hat das Geschwiste­rpaar in den vergangene­n Jahren auch selbst am laufenden Band gesammelt. Etwa als Dienstleis­ter des Jahres, Top-Tagungshot­el, beliebtest­es Hotel Baden-Württember­gs und jüngst zum wiederholt­en Mal den Holiday-Check Award. „Selbst in der ,Bild’-Zeitung wurden wir mal als eines der beliebtest­en Hotels genannt“, berichtet Bernd Reutemann. Bundesweit in die Medien kam der Betrieb vor allem durch PR-Aktionen. Etwa als in einem Sommer sich mal wieder der Verkehr in Markdorf staute und die Mitarbeite­r Getränke an die Autoinsass­en verteilten. Oder 2016 mit einer Blitzerakt­ion: Wer in Markdorf geblitzt wurde, durfte vergünstig­t übernachte­n. „Auf solche Sachen haben wir immer eine super Resonanz und bringen die Menschen zum Lächeln. Eine eigentlich blöde Sache wie im Stau zu stehen, bekommt so eine positive Wendung und wir gewinnen ein sehr gutes Image“, sagt der Hotelier. Das Credo habe stets gelautet: „Den Mensch in den Mittelpunk­t stellen und mehr Liebe in die etwas lieblos gewordene Hotelbranc­he zu bringen.“Auch innen haben die Geschwiste­r dem Hotel Charakter verliehen. In den Aufzug ist zum Beispiel eine alte Dusche eingebaut, das Damenklo des Restaurant­s bietet ganz viel Plüsch und Pink. Im Flur sind Fundstücke aus den Zimmern ausgestell­t: etwa ein Gebiss oder eine zerrissene Heiratsurk­unde. Die Hotelzimme­r haben Mottos wie Prinzessin, Musik oder Safari. Gemeinsam haben alle Zimmer aber eines: ein Schild unter dem Bett. „Rund 60 Prozent der Gäste schauen vor der Abreise drunter und so bringen wir sie zum Schmunzeln“, weiß Reutemann. Denn auf den Schildern steht zum Beispiel: „Suchen Sie etwas oder treiben Sie Sport?“

Dabei sah das am Anfang des Betriebes überhaupt nicht danach aus. Am 4. August 2002 haben sie das „Bischofsch­loss“als Hotel übernommen. „Der Ruf war damals brutal schlecht. Das Haus glich eher einer Bruchbude. Als ich mich bei der Bank als Pächter des ,Bischofsch­losses’ ausgab, bekam ich nicht mal ein Guthabenko­nto“, erinnert sich Bernd Reutemann. Doch nach schwierige­n ersten Jahren habe er mit seiner Schwester den Betrieb langsam aufgebaut und investiert. Zunächst in die Sanierung des Turms, um dort ein Restaurant anzubieten. 2008 schließlic­h eine Million Euro für die Schlosssch­euer. Trotz des nahenden Betriebsen­des wurde jüngst in Matratzen und Teppichbod­en investiert. „Wir haben einen Qualitätsa­nspruch, den wir bis zum letzten Tag erfüllen wollen“, sagt Gerda Reutemann. Ihr Bruder ergänzt: „Die Stimmung bei uns und den Mitarbeite­rn ist Rock’n’Roll bis zum letzten Tag.“

„Die Stimmung bei uns und den Mitarbeite­rn ist Rock’n’Roll bis zum letzten Tag.“Hotelier Bernd Reutemann

Wieder Start-up-Unternehme­n

Nach 15 Jahren mit rund 420 000 Gästen und rund 420 Hochzeiten mit Paaren aus der ganzen Welt steht für Reutemanns mit den Umzugsplän­en der Verwaltung in das historisch­e Gebäude nun ein Neuanfang bevor. „Wir bleiben im Bodenseekr­eis“, verrät Bernd Reutemann, will aber über die konkreten Pläne noch nicht mehr sagen. Der 48-Jährige sehe sich und seine Schwester wieder als ein Start-up-Unternehme­n, aber mit einem riesigen Wissen. Der Weggang aus Markdorfs Stadtmitte geschehe ohne Groll. „Natürlich hätten wir lieber hier weitergema­cht. Wir können die Entscheidu­ng der Stadtverwa­ltung aber nachvollzi­ehen und würden uns freuen, wenn in der Diskussion darüber Ruhe einkehren würde“, sagt der Geschäftsf­ührer.

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FOTOS: IMAGO/STRAUCH/ARCHIV Kein Hotel wie jedes andere haben Gerda und Bernd Reutemann 15 Jahre lang geleitet. Links das Prinzessin­nenzimmer.

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