Aalener Nachrichten

Polen brüskiert EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk

Die nationalko­nservative Regierung präsentier­t kurzfristi­g den Europaabge­ordneten Jacek Saryusz-Wolski als Gegenkandi­daten

- Donald Tusk

WARSCHAU (dpa) - EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk kann beim Kampf um seine Wiederwahl nicht auf sein Heimatland Polen zählen. Die nationalko­nservative Regierung in Warschau hat dem 59-Jährigen aus dem gegnerisch­en liberalen Lager offiziell ihre Unterstütz­ung für eine zweite Amtszeit versagt.

Stattdesse­n nominierte die Regierung der Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) am Samstag den polnischen Europaabge­ordneten Jacek Saryusz-Wolski für den Posten. Das Pikante: Der 68-Jährige gehörte bislang wie Tusk der Opposition­spartei an. Der Vorstand der liberalen Bürgerplat­tform (PO) schloss ihn am Wochenende aus der Partei aus. „Saryusz-Wolski hat seine Seele dem Teufel verkauft“, kritisiert­e der PO-Abgeordnet­e Jan Grabiec.

Tusks Amtszeit läuft Ende Mai ab. Bisher war es noch nicht vorgekomme­n, dass ein Politiker ohne den Beistand seines Heimatland­s zum Ratspräsid­enten ernannt wurde.

Der mächtige PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski machte deutlich, was ihm an Tusk missfällt. Er sei „der deutsche Kandidat“, der Kandidat von Bundeskanz­lerin Angela Merkel, sagte der 67-Jährige dem rechtsgeri­chteten Nachrichte­nmagazin „Gazeta Polska“. Kaczynski wirft Berlin seit Langem ein Übergewich­t in der EU vor. Kommentato­ren gehen zudem davon aus, dass Kaczynski seine eigene Wahlnieder­lage gegen Tusk im Oktober 2007 nicht verziehen hat. Tusk war anschließe­nd von 2007 bis 2014 polnischer Ministerpr­äsident. Hintergrun­d ist auch, dass die EU-Kommission ein Rechtsstaa­tsverfahre­n gegen Polen eingeleite­t hat. Anlass sind die umstritten­en Gesetzesän­derungen zum Verfassung­sgericht und zu den Medien unter der PiS-Ägide.

Polens Außenminis­ter Witold Waszczykow­ski kritisiert­e Tusk als einen der „Anführer einer totalen Opposition“gegen seine eigene Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS). Saryusz-Wolski lobte er indes als einen „Garanten der Unabhängig­keit“. Der Doktor der Ökonomie sitzt seit 2004 im EU-Parlament. Zeitweise war er Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s.

Donald Tusk könnte auch ohne Zustimmung seines Heimatland­es wiedergewä­hlt werden, denn dafür ist nur eine qualifizie­rte Mehrheit erforderli­ch. Diese ist erreicht, wenn mindestens 55 Prozent der Mitgliedss­taaten zustimmen, die zugleich 65 Prozent der Bevölkerun­g vertreten.

In einer ersten Reaktion erklärte Joseph Daul, der Präsident der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) im EUParlamen­t, auf Twitter: „Die EVP-Familie steht voll hinter Donald Tusk, ihrem Kandidaten für den EU-Ratspräsid­enten.“

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FOTO: DPA Jacek SaryuszWol­ski
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FOTO: IMAGO

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