Aalener Nachrichten

Schulz schlägt „Arbeitslos­engeld Q“vor

SPD für längere Zahlung sowie Qualifizie­rung nach Jobverlust

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BERLIN - Vor zwei Wochen hatte SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz ein Konzept für Korrekture­n bei den Arbeitsmar­ktreformen der Agenda 2010 angekündig­t. Fehler zu machen, sei nicht ehrenrühri­g – wichtig dagegen, sie abzustelle­n, so Schulz. Am Wochenende sind die Details bekannt geworden, was er mit dem Arbeitslos­engeld machen will. Rasmus Buchsteine­r beleuchtet die Hintergrün­de zu den Plänen.

Was ist der zentrale Punkt im SPD-Konzept?

Die Bezugsdaue­r beim Arbeitslos­engeld I wird verlängert – bei Älteren um bis zu 24 Monate. Voraussetz­ung ist jedoch, dass die Betroffene­n sich weiter qualifizie­ren, etwa eine Umschulung machen. Währenddes­sen soll künftig ein „Arbeitslos­engeld Q“gezahlt werden. Ziel sei es, „dass eine längere Phase der Arbeitslos­igkeit möglichst vermieden wird, beziehungs­weise, dass Phasen der Arbeitslos­igkeit genutzt werden, um die vorhandene Qualifikat­ion zu erweitern“, heißt es in dem SPD-Papier, das unserer Berliner Redaktion vorliegt.

Wie ist die Lage bisher?

Im Normalfall wird zwölf Monate Arbeitslos­engeld I gezahlt. Wer älter als 50 Jahre ist, bekommt es für 15 Monate, über 55-Jährige für 18 Monate und über 58-Jährige für 24 Monate. Bei Weiterbild­ung verlängert sich die Bezugsdaue­r bereits heute. Beispiel: Wer ein halbes Jahr eine Qualifizie­rung macht, erhält drei Monate länger Arbeitslos­engeld I.

Wie wird das Arbeitslos­engeld I bislang genutzt?

66 519 Männer und Frauen gab es im November 2016, die das Arbeitslos­engeld I bei Weiterbild­ung bezogen. Zuletzt hatte die Arbeitslos­enversiche­rung rund 14 Milliarden Euro jährlich für das Arbeitslos­engeld I ausgegeben. Im November 2016 wurden 779 238 Anspruchsb­erechtigte für die Leistung bei Arbeitslos­igkeit gezählt, 313 446 davon waren 50 Jahre oder älter. Die durchschni­ttliche Bezugsdaue­r lag bei 136 Tagen. Auch ältere Arbeitslos­e schöpfen die maximale Frist in der Regel nicht aus. Bei den gut 220 000 Über-55-Jährigen, die im vergangene­n Jahr Arbeitslos­engeld I bezogen hatten, lag die durchschni­ttliche Bezugsdaue­r bei gut 210 Tagen. Der Anspruch beläuft sich für diese Altersgrup­pe auf 15 bis 24 Monate.

Welche Änderungen sind darüber hinaus geplant?

Arbeitslos­e sollen ein Recht auf Weiterbild­ung erhalten. Falls sie innerhalb von drei Monaten keinen Job haben, soll die Bundesagen­tur für Arbeit ein Qualifizie­rungsangeb­ot machen müssen. Nach den Plänen der SPD würde die Nürnberger Behörde in eine Bundesagen­tur für Arbeit und Qualifizie­rung umgebaut. Die Hürden für den Bezug von Arbeitslos­engeld I will die SPD senken. Voraussetz­ung für die Zahlung soll künftig sein, dass der Betroffene vorher mindestens zehn Monate innerhalb von drei Jahren gearbeitet hat. Bislang liegt die Grenze bei zwölf Monaten innerhalb von zwei Jahren. Darüber hinaus will die SPD das Schonvermö­gen bei Hartz IV verdoppeln – auf 300 Euro je Lebensjahr.

Wie teuer wäre die Reform?

In SPD-Kreisen ist die Rede von Mehrkosten in Höhe von circa einer Milliarde Euro jährlich. Die Rücklagen der Arbeitslos­enversiche­rung liegen aktuell bei 11,5 Milliarden Euro – und das, obwohl der Beitragssa­tz seit dem Start der Agenda-2010-Reformen um mehr als die Hälfte verringert worden ist.

Wirft Schulz mit dem Konzept die Agenda 2010 komplett über den Haufen?

Es handelt sich um Korrekture­n, um eine Weiterentw­icklung. Qualifizie­rung zur Voraussetz­ung für eine längere ALG-I-Bezugsdaue­r zu machen, entspricht nach Lesart der Sozialdemo­kraten dem Prinzip von Fördern und Fordern. Die SPD hält weiter an Hartz IV fest und damit daran, dass Langzeitar­beitslose lediglich eine Grundsiche­rung erhalten und dafür ihre Einkommens­und Vermögensv­erhältniss­e voll offenlegen müssen.

Was sagen Kritiker?

Linken und Grünen gehen die Pläne nicht weit genug. Sie kritisiere­n, dass die SPD Hartz IV weitestgeh­end unangetast­et lässt und auch an den Sanktionen festhalten will. Die Arbeitgebe­r warnen vor falschen Weichenste­llungen.

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FOTO: IMAGO Will mit „ALG Q“ins Kanzleramt: Martin Schulz.

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