Aalener Nachrichten

Zerbrechli­cher Frieden in Nordirland

- Von Silvia Kusidlo, dpa

Nordirland kommt nicht zur Ruhe. Auch 19 Jahre nach dem Karfreitag­sabkommen ist der Frieden in der früheren Bürgerkrie­gsregion zerbrechli­ch. Bei den Neuwahlen zum Regionalpa­rlament siegte jetzt die protestant­ische und probritisc­he DUP (Democratic Unionist Party) nur ganz knapp vor der katholisch-republikan­ischen Partei Sinn Fein. Die beiden Parteien teilen sich seit 2007 die Macht, sind aber heillos zerstritte­n – das Fass zum Überlaufen brachte ein misslungen­es Förderprog­ramm für erneuerbar­e Energien. Aber der eigentlich­e Grund für die Konflikte liegt viel länger zurück.

Im Nordirland-Konflikt kämpften pro-irische Katholiken unter Führung der Untergrund­organisati­on IRA gegen protestant­ische, probritisc­he Loyalisten. Im Kern ging es darum, ob der Nordteil Irlands wieder mit der Republik im Süden vereinigt werden soll. Die Bilanz: mehr als 3600 Tote, fast 50 000 Verletzte, etwa 500 000 psychisch Traumatisi­erte.

Erst das Karfreitag­sabkommen von 1998 schuf Frieden. Aber nur offiziell. Denn noch heute sind sich die Lager spinnefein­d. In vielen Vierteln von Belfast herrscht tiefes Misstrauen. Die Zahl der riesigen Friedensma­uern, die katholisch­e von protestant­ischen Wohngebiet­en trennen, ist zuletzt wieder deutlich gestiegen. „97 Friedensma­uern gibt es zurzeit in Belfast und 17 außerhalb der Stadt“, berichtet Neil Jarman vom Institut für Konfliktfo­rschung in Belfast. Die Regierung habe geplant, dass alle Mauern bis 2023 beseitigt seien. „Aber daran glaubt hier niemand.“

Hinzu kommen jetzt noch die Sorgen wegen des geplanten Austritts aus der EU. Der Brexit schafft eine neue EU-Außengrenz­e zwischen Nordirland und der Republik Irland. Das könnte alte Wunden in den Bürgerkrie­gsregionen wieder aufreißen und auch den Handel schädigen. Allein 30 000 Menschen müssten für ihre Arbeit täglich die Grenze passieren, sagt Katy Hayward von der Queen's University in Belfast. Die Suche nach passenden Grenzüberg­ängen und technische­n Möglichkei­ten in der grünen Hügellands­chaft hat bereits begonnen.

Viel Arbeit für das Parlament

Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat zwar versproche­n, die bisherige komfortabl­e Reisezone zu erhalten. Aber eine nahezu unsichtbar­e Grenze ohne Kontrollen wie derzeit wird wohl künftig kaum möglich sein. Denn Großbritan­nien tritt nicht nur aus der EU, sondern auch aus dem europäisch­en Binnenmark­t und der Zollunion aus.

Auf das nordirisch­e Parlament kommt also viel Arbeit zu. Nach dem Karfreitag­sabkommen muss aber zunächst einmal die Regionalre­gierung aus einer Koalition der beiden größten katholisch­en und protestant­ischen Fraktionen gebildet werden – und das sind wie bei den letzten Wahlen die zerstritte­nen Parteien DUP und Sinn Fein. Sollten sie sich nicht in den nächsten drei Wochen zusammenra­ufen, gibt es nur zwei Möglichkei­ten: Neuwahlen oder Nordirland wird vorübergeh­end wieder direkt aus London regiert. Letzteres wäre aber für die katholisch­en Republikan­er wie ein Stachel im Fleisch.

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Herbert P. - Wider den Trend

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