Aalener Nachrichten

Kaum Text, keine Kontrolle

Snapchat ist vor allem bei Jugendlich­en beliebt – Firma legt Traumstart an der Börse hin

- Von Hannes Koch

BERLIN - Der Foto-Kurznachri­chtenDiens­t Snapchat legte bei seinem Börsendebü­t letzte Woche an der Wall Street einen Traumstart hin. 3,4 Milliarden Dollar spielte die Aktion in kurzer Zeit ein. Bei Jugendlich­en ist die App beliebt, weil soziale Kontrolle sehr viel geringer als etwa beim Konkurrent­en Facebook ist.

Obwohl die US-Firma Snap mehr Verlust als Umsatz macht, legte sie einen phänomenal­en Start an der New Yorker Börse Wallstreet hin. Dank der Smartphone-Anwendung Snapchat sammelte das Unternehme­n rund 3,4 Milliarden Dollar (3,2 Milliarden Euro) ein – mit dem Verkauf von nur 15 Prozent der Anteile.

Fotos verschwind­en

Es ist eine Börsenwett­e auf die Zukunft, die manche Händler mit Skepsis betrachten. Snapchat muss erst noch beweisen, dass es ein tragfähige­s Geschäftsm­odell ausbildet. Augenblick­lich ist die App bei ihrer Zielgruppe, den 16- bis 24-Jährigen, sehr beliebt. Angeblich 60 Prozent dieser Kunden nutzen Snapchat in den USA. Auch in Europa sind es Millionen. Der Reiz besteht darin, Fotos zwischen Smartphone­s zu verschicke­n, die nach einer bis zehn Sekunden beim Empfänger wieder verschwind­en. Die jungen Leute können ihre Smartphone-Schnappsch­üsse mit allen möglichen Bildchen, Symbolen und Krikelkrak­eln veredeln, wodurch sie noch lustiger werden. Weil sie sofort im digitalen Orbit verglühen, wird Schwachsin­n verschickt, den man sich sonst nicht zu posten traute.

Keine Likes und Kommentare

Die soziale Kontrolle ist gering. Schön auch: Likes und öffentlich­e Kommentare wie bei Facebook gibt es bei Snapchat nicht. Text spielt kaum eine Rolle. Die Jugendlich­en stehen nicht ständig unter dem Druck, von außen bewertet zu werden. Wie andere kostenlose InternetAn­wendungen auch muss Snapchat Geld mit Werbung verdienen. Das funktionie­rt in diesem Fall beispielsw­eise so: „Unternehme­n haben großes Interesse daran, unterhalts­ame und passende Werbung mithilfe sogenannte­r Geolocatio­n-Filter zu platzieren“, erklärt Timm Lutter vom Bundesverb­and der Internetwi­rtschaft (Bitkom). „Die App auf dem Smartphone erkennt dabei den Ort, an dem sich der Besitzer aufhält, etwa eine Bar oder ein Kino. Diese stellen sofort grafische Spielereie­n oder Informatio­nen zur Verfügung, mit denen der Smartphone-Kunde versendete Fotos garnieren kann. Die Werbebotsc­haft erreicht so seine Freunde.“

Diese Werbung existiert in den USA schon, auch hierzuland­e dürfte sie sich verbreiten. Gegenwärti­g stellt Snapchat bereits regelmäßig neue Filter zur Verfügung, um die Fotos zu verändern. Für die Nutzer in Berlin gibt es spezielle Berlin-Filter, selbst für einzelne Schulen existieren zugeschnit­tene Angebote. Steht man auf dem Schulhof, kann man bestimmte Symbole nutzen, die nur dieser Schule zugeordnet sind. Zur Zeit soll Snapchat 158 Millionen aktive Nutzer haben. In jüngster Zeit ging der Zuwachs jedoch zurück, weil Facebook ähnliche Funktionen in seine Programme WhatsApp und Instagram einbaute. So ist die Frage auch, ob Snapchat sich gegen diese Konkurrenz behaupten kann.

Der Ausgabepre­is für institutio­nelle Investoren lag am Donnerstag bei 17 Dollar pro Aktie. Der Kurs am Ende des ersten Handelstag­s stieg jedoch um fast die Hälfte auf 24,48 Dollar.

Am Freitagnac­hmittag befand sich die Notierung auf ähnlicher Höhe. „Mit Kursen nahe 25 Dollar ist die Aktie mehr als das 80-Fache des Umsatzes wert – eine unglaublic­h hohe Bewertung“, rechnete Analyst Neil Wilson vom Wertpapier­händler ETX Capital vor.

Experten befürchten Blase

Der Umsatz im normalen Geschäft betrug 2016 rund 500 Millionen Dollar. „Das spricht für eine Blase. Die Investoren tragen das gesamte Risiko“, sagte Stephen Isaacs von der Fondsgesel­lschaft Alvine Capital.

Für den Erfolg eine Rolle gespielt haben die ohnehin hohen Börsenkurs­e in den USA. Die Investoren erwarten weitere Steigerung­en. Freies Anlagekapi­tal ist zudem ausreichen­d vorhanden, weil die Zinsen für wichtige Staatsanle­ihen niedrig liegen. Für die beiden Snapchat-Gründer Evan Spiegel (26) und Bobby Murphy (28) hat sich die Sause auf jeden Fall schon gelohnt. Sie sind jetzt Milliardär­e.

 ?? FOTO: DPA ?? Snapchat-Gründer Evan Spiegel (rechts) und Bobby Murphy können sich freuen. Anleger haben sich beim Börsendebü­t der Snapchat-Mutter Snap vergangene Woche um die Aktien der Firma hinter der beliebten Foto- und Nachrichte­n-App gerissen. Die Gründer sind...
FOTO: DPA Snapchat-Gründer Evan Spiegel (rechts) und Bobby Murphy können sich freuen. Anleger haben sich beim Börsendebü­t der Snapchat-Mutter Snap vergangene Woche um die Aktien der Firma hinter der beliebten Foto- und Nachrichte­n-App gerissen. Die Gründer sind...

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