Jaguar Land Rover plagen Brexit-Sorgen
Vorstandschef Ralf Speth freut sich über glänzende Zahlen – Unsicherheit durch EU-Austritt
LONDON - Die Nachteile des britischen EU-Austritts erlebt der Vorstandschef des Automobilherstellers Jaguar Land Rover (JLR) am eigenen Leib. „Der Brexit bereitet mir erhebliche Kopfschmerzen und schlaflose Nächte“, sagt Ralf Speth. Neben der Unsicherheit, die mit den bevorstehenden Verhandlungen zwischen London und Brüssel verbunden ist, habe die Insel ein Imageproblem.
Insbesondere in südeuropäischen Ländern hätten seit der Referendumsentscheidung im Juni potenzielle Kunden den Kauf einer britischen Marke ausgeschlossen. „Unsere Verkaufszahlen sind nach wie vor sehr gut. Aber man fragt sich natürlich, ob es noch ein bisschen besser hätte sein können“, berichtet der aus Deutschland stammende Manager des im mittelenglischen Coventry ansässigen Unternehmens.
Hersteller fordern Staatshilfen
Die traditionsreichen britischen Automarken Jaguar und Land Rover gehören seit neun Jahren zu der im indischen Bombay beheimateten Firma Tata Motors. JLR war im vergangenen Jahr mit mehr als einer halben Million Fahrzeuge der volumenstärkste Automobilbauer der Insel. Fast 80 Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen mit dem Export, Kontinentaleuropa ist der größte Markt vor Großbritannien und China. Zudem stammen rund die Hälfte der Komponenten für die JLR-Automobile vom Kontinent, darunter das Automatikgetriebe von dem in Friedrichshafen ansässigen ZF-Konzern.
Auf der Insel haben sich in den vergangenen Monaten wiederholt Firmen der Automobilbranche gemeldet und auf die Risiken des Brexit hingewiesen. Nissan hatte erst kürzlich Premierministerin Theresa May zu Industriebeihilfen für AutomobilZulieferer im Wert von umgerechnet 117 Mio. Euro aufgefordert. In einer Parlamentsanhörung nannte NissanManager Colin Lawther die Regierungsunterstützung „von kritischer Bedeutung: Sonst steht Nissans Erfolg infrage“.
Vor einer neuen Investitionsentscheidung für sein bestehendes Werk im nordenglischen Sunderland erhielt der Renault/Nissan-Konzern im Herbst offenbar weitreichende Garantien von London. Über Einzelheiten schweigen sich die Beteiligten aus, die Rede ist aber von gezielten Hilfen für die Ausbildung von Ingenieuren und Facharbeitern sowie dem Ausgleich für zukünftig womöglich anfallende Zölle. Er kenne keine Einzelheiten und habe auch nicht danach gefragt, sagte Speth im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich bin mir ganz sicher, dass die britische Regierung mit allen Unternehmen fair umgehen wird.“JLR beschäftigt insgesamt 42 000 Mitarbeiter, darunter 12 000 Ingenieure; einer Studie von Oxford Economics zufolge arbeiten weitere 300 000 Menschen für Zulieferer der Firma.
Der gebürtige Mittelfranke Speth arbeitet mit Unterbrechungen seit 20 Jahren in England, war dort BMWVizepräsident mit Zuständigkeit für Land Rover. In den vergangenen Jahren hat JLR, unterstützt von Milliardeninvestitionen der Mutterfirma, eine glänzende Erfolgsgeschichte verzeichnet. Die drei Montagefabriken in Solihull bei Birmingham, Liverpool und Coventry sowie das neugebaute Motorenwerk bei Wolverhampton sind mit zehn Modellreihen ausgebucht, 2018 soll ein neues Werk in der Slowakei mit einer Kapazität für weitere 150 000 Autos pro Jahr die Produktion aufnehmen.
Am Mittwoch weilte Speth zur Präsentation eines neuen Range-Rover-Modells in London. Der Velar wurde ausschließlich auf der Insel entworfen und entwickelt, produziert wird in Solihull. „Wir bekennen uns zu unserer Heimat“, betont der JLR-Manager. „Großbritannien wird unverändert das Zentrum unseres Geschäfts bilden.“Im Sommer kommt das Modell in den deutschsprachigen Ländern zum Verkauf.