Anton Schlecker drohen bis zu zehn Jahre Haft
Prozess gegen Drogeriemarkt-König beginnt vor dem Stuttgarter Landgericht
RAVENSBURG/EHINGEN - Wie Anton Schlecker heute aussieht, wissen wohl nur ganz wenige. Seit Jahrzehnten lebt der Unternehmer zurückgezogen, abgeschottet in seinem Anwesen in Ehingen bei Ulm. Der Rückzug aus der Öffentlichkeit könnte am heutigen Montag ein Ende haben. Fünf Jahre nach der Pleite der Drogeriekette beginnt in Stuttgart der Prozess gegen die Schlecker-Familie.
Die Staatsanwaltschaft wirft Anton Schlecker vor, angesichts der drohenden Pleite, Vermögenswerte in 36 Fällen beiseite geschafft zu haben. Hinzu kommen Vorwürfe zu falschen Angaben zur Unternehmensbilanz und vor einem Insolvenzgericht. Nach Informationen der „Wirtschaftswoche“, die sich auf die Klageschrift beruft, geht es um 26 Millionen Euro, die Schlecker beiseitegeschafft haben soll.
Mit Anton Schlecker stehen auch seine Frau Christa, die beiden Kinder Meike und Lars sowie zwei Wirtschaftsprüfer vor Gericht. Die Familie soll Anton Schlecker in mehreren Fällen geholfen haben, dem Unternehmen Vermögenswerte zu entziehen, teilt die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit. Hinzu kommt, dass Lars und Meike Schlecker sich vermutlich hohe Gewinne ausschütten ließen, obwohl sie wussten, dass in dem Geschäftsjahr nur Verluste gemacht wurden. Zudem sollen die beiden Schlecker-Kinder nach Informationen von „Spiegel Online“68 Millionen Euro nicht versteuert haben.
Unheilvolle Unternehmenskultur
Über Jahrzehnte liefen die Geschäfte gut. Doch dann kam der Onlinehandel. Dm, Rossmann oder Müller machten den Einkauf von Hygieneartikeln zum Erlebnis. Schlecker zog nicht mit. Experten sprechen von einer „Blase“, in der die Familie lebte. Alle geschäftlichen Entscheidungen konzentrierten sich auf die Familie und das Familienoberhaupt. Mitarbeiter waren eher ein lästiges Übel, als die Treiber für den Unternehmenserfolg. „Ein überholtes Geschäftsmodell kombiniert mit einer unheilvollen Unternehmenskultur haben zum Ende der Firma geführt“, sagt Roland Alter von der Hochschule Heilbronn. Die tragische Geschichte Schleckers sei ein Beispiel dafür, dass eine gute Führungsebene, die Mitarbeiter fördert und motiviert, in jedem Unternehmen zwingend notwendig ist.
Viele wollten die drohende Pleite nicht wahrhaben – auch die Politik nicht. „Staatlicherseits hat man Fehlentwicklungen zu lange ignoriert“, sagt Alter. Der Strategie-Experte beschäftigte sich lange und intensiv mit der insolventen Drogeriekette. „Wir müssen in solchen Fällen künftig frühzeitiger reagieren.“Mit der Schlecker-Pleite verloren mindestens 25 000 Mitarbeiter ihren Job.
Bis ein Urteil ergeht, werden Monate vergehen, vielleicht Jahre. Hunderte Akten wurden von den Ermittlern ausgewertet und Beweismaterial gesichtet. Bisher sind 26 Verhandlungstage bis Oktober am Landgericht Stuttgart angesetzt. Die Strafe könnte vor allem für Anton Schlecker drastisch ausfallen. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft. Das Wirtschaftsmagazin
bringt Montag in der ARD (21 Uhr) eine Sondersendung zum ersten Prozesstag. Im Anschluss (21.15 Uhr) ist der Fall Schlecker Thema bei