Kryptonit vom Bodensee
Friedrichshafen triumphiert nach einem irren Comeback wieder gegen die Berlin Volleys
FRIEDRICHSHAFEN - Andrea Giani musste natürlich neutral sein, als Volleyball-Bundestrainer ist dies beim Besuch eines Bundesligaspiels Pflicht. Doch irgendwann in diesem irren fünften Satz hoben sich die Mundwinkel des Italieners nach oben. Es war ein mildes, aber gleichzeitig amüsiertes Grinsen. Das Lachen eines, der sich vielleicht nicht freute, aber dieses kaum zu glaubende, dieses surreale Comeback des VfB Friedrichshafen in einem Spiel, das die Häfler zweimal eigentlich schon verloren hatten gegen die Berlin Volleys, dann doch einfach auch ziemlich gut fand. Auch Lucio Oro grinste, als er sich nach dem 3:2 (26:24, 22:25, 18:25, 25:22, 15:10) der Häfler gegen die Berliner von Giani verabschiedete. Doch es war ein gequältes Grinsen, Oro ist Co-Trainer des amtierenden Meisters, der gerade das vierte Spiel dieser Saison gegen die Mannen vom See verloren hatte. „Kannst du mir erklären, was zum Teufel da passiert ist?“, fragte Oro seinen Landsmann. Konnte der aber auch nicht, Giani grinste noch einmal, brachte dann hervor: „Ihr wart 5:1 vorne und dann haben die elf Punkte gemacht.“
Nicht zu erklären
Auch Vital Heynen konnte diesen irren Lauf seiner Spieler nicht wirklich erklären. Wie auch? „So etwas passiert vielleicht alle zehn Jahre mal, ich kann mich nicht erinnern, so etwas überhaupt mal erlebt zu haben“, sagte Friedrichshafens Coach. So etwas – ein 15:10 im Tiebreak, nachdem man schnell 1:5 hinten lag und aus diesem 1:5 ein 12:6 machte. So etwas – der Gewinn des vierten Satzes, nachdem man den zweiten recht knapp (22:25), den dritten aber sang- und klanglos verloren hatte (18:25) und auch in diesem vierten lange hinten gelegen hatte, dann aber umso stärker zurückgekommen war. So etwas – der vierte Sieg im vierten Spiel gegen den ewigen Rivalen, der einmal so etwas wie der Endgegner des VfB war und mittlerweile „ein Problem mit uns hat; sie verlieren sogar Spiele, die sie schon gewonnen haben“, wie Heynen sagte.
Dank dieses echten Volleyballthrillers in der ZF-Arena hat der VfB Friedrichshafen die Hauptrunde nun auf dem ersten Platz beendet. Das bedeutet für die in zwei Wochen beginnenden Playoffs: Heimrecht bis ins Finale. Das ist natürlich noch nicht erreicht, erst muss der VfB Viertelfinale und Halbfinale überstehen, doch es braucht nicht sonderlich viel Fantasie, um sich auszumalen, dass am 19. April genau diese beiden Mannschaften in Friedrichshafen wieder aufeinandertreffen werden: der Meister aus der Hauptstadt und sein Kryptonit, der Angstgegner vom Bodensee, der sogar gewinnen kann, „wenn nicht alles nach Plan läuft“(Heynen).
Nach Plan war in diesem Spiel für die Häfler tatsächlich nur der erste Satz verlaufen, bei dem sie mit dem Punkt zum 5:4 zum ersten Mal in Führung gegangen und dank toller Aufschläge, noch besseren Angriffen und harter Blocks auf 12:6 davongezogen waren. Berlin hatte zwar sechs Punkte in Serie gemacht und hatte den Satz dann lange ausgeglichen gestalten können, doch der VfB gewann diesen hochklassigen Satz am Ende verdient mit 26:24. Auch im zweiten, zunächst noch härter umkämpften Satz, sah es lange nach einem dennoch schnellen Sieg der Häfler aus. 19:17 war der VfB vorne, als dieses Spiel kippte. Plötzlich stand es 22:25, plötzlich sprach nichts mehr für Friedrichshafen. Bis die Häfler den vierten Satz drehten. Bis das Schlachtenglück zurückkehrte. Bis sie im Tiebreak zauberten.