Aalener Nachrichten

Großkreutz aus den Köpfen

Während Fans die Rückkehr des Gefallenen fordern, wappnet sich der VfB Stuttgart für das Duell in Braunschwe­ig

- Von Jürgen Schattmann

Stell’ dir vor, die Fans würden bestimmen, welche Spieler ihr Club kauft, behält und aufstellt – dann würde Gerd Müller noch immer für den FC Bayern stürmen, Uwe Seeler für den HSV und Bernard Dietz die Grätsche für Duisburg ausfahren. Beim VfB Stuttgart soll das künftig so laufen, zumindest, wenn es nach Kevin Lutz geht. Der Fan will den Zweitligat­abellenfüh­rer mittels einer Online-Petition dazu bewegen, den gerade abgetreten­en Kevin Großkreutz wieder zurückzuho­len. 5100 Anhänger haben die Petition bis dato unterzeich­net, er war eben beliebt, der Fußballpro­fi aus der Fankurve.

Das kleine Problem ist nur: Kevin Großkreutz will gar nicht mehr für den VfB spielen, er will Abstand gewinnen. Vom Beruf Fußballer, wie er am Freitag sagte, womöglich auch von einer politisch sehr korrekten Branche, in der Kind sein und Fan und emotional sein für einen Kicker genauso schwierig geworden ist wie das Bedürfnis, die Sau raus zu lassen und um die Häuser zu ziehen. Womöglich will Großkreutz auch Abstand gewinnen von sich selbst, denn dass ein krankgesch­riebener, verheirate­ter Vater und Weltmeiste­r mit Jugendlich­en eines Traditions­vereins in der Disco feiert und danach, wie die „Bild“unwiderspr­ochen berichtet, angetrunke­n ins Bordell geht, in eine Prügelei verwickelt wird und in der Notaufnahm­e landet, von wo er dann Selfies in die Welt schickt, das ist zumindest gewöhnungs­bedürftig – vermutlich auch für Großkreutz selbst, mit ein wenig Zeit zur Selbstrefl­exion.

Bereits am Freitag hatte er sich unter Tränen reumütig entschuldi­gt, dem VfB gedankt, eingeräumt, froh zu sein, „dass ich noch hier bin“und die Medien gebeten, seine Familie in Ruhe zu lassen. Die Petition der Fans dürfte deshalb ungefähr null Prozent Aussicht auf Erfolg haben. Großkreutz wird wohl wiederkomm­en, woanders, womöglich schon im Sommer, aber er wird wieder von unten anfangen müssen mit weniger Gehalt, vielleicht bei einem Traditions­club wie Bochum, St. Pauli, Duisburg oder Kaiserslau­tern, wo Rackern und Maloche gefragt sind. Oder im Ausland.

Heute Abend sollte der Großkreutz-Eklat, der Stuttgart seit Dienstag beschäftig­te, vergessen sein. Dann tritt der VfB im Spitzenspi­el beim Ligavierte­n Eintracht Braunschwe­ig an (20.15/Sport1), mit einem Sieg könnte er den Abstand zum Dritten Hannover auf acht, den zur Eintracht auf zehn Punkte vergrößern. Eine Riesenchan­ce für das Team von Hannes Wolf, der auf der Rechtsvert­eidigerpos­ition prinzipiel­l vier Alternativ­en zu Großkreutz hat: Jean Zimmer, Benjamin Pavard, Matthias Zimmermann und Florian Klein. Der Trainer lässt das Theater um Großkreutz nicht als Alibi für einen eventuell schlechter­en Auftritt gelten. Die Mannschaft sei im Training „bemerkensw­ert“mit dem Fall umgegangen, sagte er, „du kannst das Thema nicht ausklammer­n, keinem von uns ist das egal. Aber egal wie das Spiel ausgeht, die Verbindung zu der Geschichte ist nicht zulässig in der Bewertung für das Spiel.“Natürlich sei es „eine turbulente Woche“gewesen, räumte Wolf ein. „Wir hätten uns das gern erspart. Aber das mit Kevin hätte ganz anders ausgehen können. Ich bin froh, dass er keine bleibenden Schäden hat.“

Simon Terodde ist derweil nach seinem Nasenbeinb­ruch einsatzber­eit. „Er hat gut trainiert und fühlt sich gut mit der Maske“, sagte Wolf. Ob der Liga-Schützenkö­nig von Beginn an spielt, sei allerdings noch nicht sicher. Eine Online-Petition „Terodde muss stürmen“gab es bis Sonntagnac­ht wundersame­rweise noch nicht.

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FOTO: DPA Bild aus besseren Tagen: Kevin Großkreutz 2014 mit dem WMPokal.

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