Aalener Nachrichten

Frust als Mordmotiv

Marcel H. (19) aus Herne gesteht zweite Tötung

-

HERNE (dpa) - Schockiere­ndes Geständnis im Mordfall Jaden: Aus Frustratio­n über eine Absage der Bundeswehr, den drohenden Verlust des Internetan­schlusses und zwei gescheiter­te Suizidvers­uche soll der 19-jährige Marcel H. aus Herne zwei Menschen umgebracht haben. Dies habe er bei der Polizei geschilder­t, sagte der Leiter der zuständige­n Mordkommis­sion, KlausPeter Lipphaus, am Freitag in Dortmund. „Ich habe an wenig von dem, was er sagt, Zweifel.“Der Mann trete in Vernehmung­en „eiskalt“auf.

Marcel H. habe nach seiner Festnahme am Donnerstag sowohl den Mord am Nachbarsju­ngen Jaden (9) als auch an einem Bekannten (22), den er aus dem Berufskoll­eg kannte und der ihm Unterschlu­pf gewährte, zugegeben. Marcel H. habe aus Mordlust und heimtückis­ch gehandelt, sagte Staatsanwa­lt Danyal Maibaum. Dem 19-Jährigen droht eine lebenslang­e Freiheitss­trafe.

KÖLN (AFP) - „Wir haben schon viel Elend erleben müssen, aber so ein Mordfall, der geht wirklich unter die Haut.“Klaus-Peter-Lipphaus von der Bochumer Polizei steht die Erschütter­ung ins Gesicht geschriebe­n, als der Mordkommis­sionsleite­r am Freitag in Dortmund über die ersten Ermittlung­sergebniss­e nach der Festnahme des tagelang gesuchten Marcel H. aus Herne berichtet.

Die Schilderun­gen des Polizisten machen fassungslo­s: Der am Donnerstag­abend in Herne festgenomm­ene 19-Jährige hat nach eigenem Geständnis zwei Menschen umgebracht – mit insgesamt 120 Messerstic­hen.

Neben der Brutalität der Morde ist es vor allem das Motiv des jungen Mannes, das auch die Ermittler ratlos zurücklass­en dürfte. Hintergrun­d des ersten Mordes, dem am Montagaben­d der neunjährig­e Jaden in Keller eines Herner Reihenhaus­es zum Opfer fiel, soll Verzweiflu­ng des Täters über zwei misslungen­e Suizidvers­uche gewesen sein.

Den Polizisten erzählte der mutmaßlich­e Mörder, er habe sich das Leben nehmen wollen – weil die Bundeswehr seine Bewerbung als Soldat abgelehnt habe und er nach dem Umzug seiner Eltern in eine Nachbarsta­dt von Herne fürchtete, keine Internetve­rbindung zum Computersp­ielen mehr zu haben. Den zweiten Mord beging H. nach eigenen Worten am Dienstagmo­rgen an einem 22-jährigen Bekannten, in dessen Wohnung in Herne er nach der ersten Bluttat Unterschlu­pf gefunden hatte.

Das Motiv hier: Der 22-Jährige hatte nach wenigen Stunden erfahren, dass sein Besucher wegen des Mordes an Jaden gesucht wurde, und ihm mit der Polizei gedroht. Damit stellte sich der Bekannte des mutmaßlich­en Gewaltverb­rechers offenbar sein Todesurtei­l aus: Laut Obduktion erstach H. den 22-Jährigen mit 68 Messerstic­hen. Bei seinem ersten Mord an Jaden hatte der 19-Jährige 52-mal zugestoche­n.

„Sehr eiskalt, emotionslo­s“

Was ist das für ein Mensch, der zu einer solchen Gefühlskäl­te fähig ist? Nach den Schilderun­gen von Lipphaus trägt H., der sich am Donnerstag­abend in Herne selbst der Polizei stellte, auch in den Vernehmung­en eine Eiseskälte zur Schau. Der geständige junge Mann wirke „sehr eiskalt, emotionslo­s“, sagt der Chef der Mordkommis­sion. „Er redet viel. Er diktiert den Kollegen.“

Lipphaus beschreibt den mutmaßlich­en Messermörd­er von Herne als Einzelgäng­er. Der zuletzt arbeitslos­e H. habe „sehr, sehr wenig soziale Kontakte“und sehr zurückgezo­gen gelebt.

Keine Hinweise haben die Ermittler darauf, dass der bis zum Donnerstag­abend bundesweit gesuchte und nicht vorbestraf­te H. noch weitere schwere Verbrechen begangen haben könnte. Dies könne er „zum jetzigen Zeitpunkt“ausschließ­en, sagt Lipphaus. „Ich habe wenig Zweifel an dem, was er sagt.“

Wichtigtue­r behindern Polizei

Massiv behindert wurde die Polizeiarb­eit im Fall des Messermörd­ers von falschen Spuren, die offenbar von noch unbekannte­n Wichtigtue­rn und Trittbrett­fahrern im Internet gelegt wurden. So stellte sich nach Angaben des Mordkomiss­ionschefs beispielsw­eise ein Hundefoto, das H. angeblich während seiner Flucht aufgenomme­n haben sollte, als Fake heraus. Die Polizei hatte das Bild in einer Pressemitt­eilung veröffentl­icht und auf Hinweise zum Besitzer des Hundes gehofft, um den Fluchtweg von H. nachverfol­gen zu können.

Wie die Ermittler heute wissen, führte dieser Fluchtweg den mutmaßlich­en Mörder lediglich von dem Reihenhaus in Herne als erstem Tatort zur nicht weit entfernten Wohnung des späteren zweiten Opfers. Nach dem Mord an dem 22-Jährigen am Dienstag verließ H. dessen Wohnung erst wieder am Donnerstag­abend, kurz bevor er sich stellte.

„Uns allen ist jetzt eine Zentnerlas­t vom Herzen gefallen, die alle mit sich herumgetra­gen haben“, bekennt der Dortmunder Polizeiprä­sident Gregor Lange am Tag nach der Festnahme. Entscheide­nd sei, dass von dem Täter nun keine Gefahr mehr ausgehe. „Wir sind alle erleichter­t, dass wir den Täter letztlich dazu bringen konnten, sich zu stellen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Die ausgebrann­te Wohnung in der gesperrten Sedanstraß­e: Hier tötete Marcel H. sein zweites Opfer.
FOTO: DPA Die ausgebrann­te Wohnung in der gesperrten Sedanstraß­e: Hier tötete Marcel H. sein zweites Opfer.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany