Pleitier Schlecker beteuert vor Gericht seine Unschuld
Ex-Drogeriemarktunternehmer spricht gut eine Stunde – Fragen beantwortet er nicht
STUTTGART (dpa) - Im Bankrottprozess gegen Anton Schlecker hat sich der ehemalige Drogeriemarktunternehmer am Montag erstmals persönlich zu Wort gemeldet und die Vorwürfe der Anklage zurückgewiesen. „Ich erinnere mich nicht an Liquiditätsprobleme, die ich für nicht überwindbar gehalten hätte“, las Schlecker aus einer schriftlich verfassten Stellungnahme vor. Er habe keine Entscheidungen oder Verfügungen getroffen, um Gläubiger vor der Insolvenz 2012 zu benachteiligen. „Ich bin davon ausgegangen, dass ich die Forderungen meiner Gläubiger immer erfüllen kann.“
Er übernehme die unternehmerische Verantwortung ebenso wie in den Jahrzehnten zuvor, sagte Schlecker. Allerdings fügte er hinzu: „Für mich gab es kein unternehmerisches Scheitern. Ich war sehr erfolgsverwöhnt.“Er sei bis zuletzt von der Fortführung seines Unternehmens überzeugt gewesen.
Fragen der Staatsanwaltschaft dazu wollte der 72-Jährige aus Ehingen am zweiten Prozesstag jedoch ebenso wenig beantworten wie Fragen zu seinen aktuellen finanziellen Verhältnissen. Die Anklage wirft Schlecker vor, vorsätzlich Teile seines Vermögens, das den Gläubigern zugestanden hätte, vor der Insolvenz im Jahr 2012 beiseitegeschafft zu haben. Dabei listet die Staatsanwaltschaft Einzelzahlungen im Wert von mehr als 25 Millionen Euro auf. Außerdem soll Schlecker den Zustand des Unternehmens im Konzernabschluss falsch dargestellt haben.
Schlecker vertrat in seinem gut einstündigen Vortrag die Ansicht, dass Handelspartner und Versicherer sein Unternehmen Anfang 2012 zu früh aufgegeben hätten. Im Januar 2012 habe ein Versicherer den Lieferantenschutz aufgehoben, damit sei das Rad, so Schlecker, zum Stillstand gekommen. „Der Insolvenzantrag war erforderlich.“
Geldgeschenke und andere Zahlungen, mit denen er vor der Insolvenz Kinder und Enkel unterstützt habe, stünden damit in keinem Zusammenhang, so Schlecker. So sei die aufgelistete Reise für 50 000 Euro der Kinder als jährliche gemeinsame Familienreise geplant gewesen, die 800 000 Euro für seine vier Enkel habe er erst auf Drängen der Familie gegeben und der Einbau einer Alarmanlage im Wert von 267 000 Euro im Haus seiner Tochter Meike sei eine Reaktion auf die traumatische Erfahrung der Entführung seiner Kinder in den 1980er Jahren gewesen.
Europas ehemals größte Drogeriekette Schlecker hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Mehr als 25 000 Menschen in Deutschland und genauso viele im Ausland verloren ihren Arbeitsplatz.
Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt.
STUTTGART (dpa) - Die Katastrophe will Anton Schlecker nicht kommen sehen haben. „Die Insolvenz für mein Unternehmen war für mich unvorstellbar“, beteuert er am Montag in seinem Bankrottprozess vor dem Stuttgarter Landgericht. Das Szenario, das 2012 Realität für 25 000 deutsche Schlecker-Mitarbeiter wurde, hielt Schlecker nach eigenen Worten nicht für denkbar. „Für mich gab es kein unternehmerisches Scheitern. Ich war sehr erfolgsverwöhnt.“
Zum ersten Mal seit Jahren meldet sich der ehemalige Drogeriemarktunternehmer persönlich zu Wort. Selbst als das Ende unabwendbar war, schickte er noch seine Tochter Meike vor, um den Zusammenbruch seines Imperiums zu verkünden. „Das alles fällt mir nicht leicht, weil es meinem Naturell widerspricht“, sagt er zu Beginn seines Vortrags im Saal 18 des Stuttgarter Landgerichts. „Öffentliche Aufmerksamkeit hat mich zeitlebens bedrängt, egal ob in guten oder in schlechten Zeiten.“
Dabei wirkt Schlecker an diesem Montag gar nicht scheu. Der 72-Jährige ist zwar nach wie vor blass in seinem dunkellila Rollkragenpullover, den er unter dem dunklen Jackett mit zarten Nadelstreifen trägt. Doch mit großen Gesten und sichtlicher Erregung beschreibt er Aufbau und Fall seines Lebenswerks.
Seine Stimme ist fest, nur einmal bricht sie, als er von einem Anruf seiner Tochter Meike kurz vor der Pleite im Januar 2012 berichtet. Fassungslos sei sie gewesen. „Papa, die lassen uns fallen“, habe sie gesagt. Ob allerdings Betroffenheit aus seiner Stimme spricht oder eine drohende Hustenattacke, wird nicht ganz klar. Vor ihm auf dem Tisch stehen Lutschpastillen. Zweimal erbittet er sich einen Schluck Kaffee aus der Edelstahl-Thermoskanne.
„Alles war offen ausgewiesen“
Die Botschaft von Anton Schlecker ist wenig überraschend. Sein Handeln sei nie von dem Motiv getragen gewesen, Vermögen zu beseitigen, Gläubiger zu benachteiligen oder eine Straftat zu begehen. „Insbesondere hatte ich nicht den Ansatz, eine Art Vorsorge für eine drohende Insolvenz zu treffen“, sagt Schlecker. Der Satz „Alles war in unserem Unternehmen offen ausgewiesen“, klingt dennoch eigentümlich aus dem Mund eines Unternehmers, der über Jahrzehnte ein Geheimnis aus seinen Geschäften machte. Schlecker führte ein Unternehmen mit Milliardenumsätzen als eingetragener Kaufmann. Das heißt, im Falle der Pleite haftete er mit seinem gesamten Vermögen.
Die Anklage wirft Schlecker vor, vorsätzlich Bestandteile seines Vermögens dem Zugriff der Gläubiger entzogen zu haben – insgesamt mehr als 25 Millionen Euro. Anton Schlecker selbst vertritt in seinem gut einstündigen Vortrag die Ansicht, dass Handelspartner und Versicherer sein Unternehmen Anfang 2012 viel zu früh aufgegeben hätten. Im Januar 2012 habe ein Versicherer den Lieferantenschutz aufgehoben. Damit war klar, dass die Geschäfte von Schlecker zum Erliegen kommen würden. „Der Insolvenzantrag war erforderlich. Das war ein schwerer Gang“, erklärt der gebürtige Ehinger.
„Papa, die lassen uns fallen.“
Meike Schlecker telefoniert kurz vor der Pleite des Unternehmens mit ihrem Vater Anton – er hatte vor Gericht von dem Anruf berichtet.
Am 23. Januar 2012 meldet Anton Schlecker Insolvenz an. Das Scheitern hat er offenbar nicht kommen sehen. „Ich erinnere mich nicht an Liquiditätsprobleme, die ich für nicht überwindbar gehalten hätte“, sagte er. Noch 2011 habe er Millionen für Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Mitarbeiter ausgegeben. Doch nach der Pleite verlieren 25 000 Schlecker-Beschäftigte in Deutschland ihren Job, noch einmal so viele im Ausland. Die Forderungen der Gläubiger belaufen sich auf gut eine Milliarde Euro. Gut ein Jahr nach der Pleite zahlt die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter 10,1 Millionen Euro. Hintergrund ist der Streit um übertragenes Vermögen aus dem Unternehmen.
Schleckerfilialen zum Abitur
Dass er den Gläubigern vor der Pleite noch mehr Geld entzogen haben soll, bestreitet Schlecker. Die Familie habe gut gelebt, seine Kinder sollten nach der traumatischen Entführung Ende der 1990er-Jahre ein sorgenfreies Leben führen. Sie bekamen nicht nur Schleckerfilialen zum Abitur, sondern auch Immobilien geschenkt. Geld, das er an Enkel und Kinder überwiesen habe, habe keinen Bezug zur Situation des Unternehmens gehabt. Schlecker beschreibt die Übertragung von fünf- oder sechsstelligen Summen so selbstverständlich, als hätte er einen 50-Euro-Schein zu Weihnachten geschenkt.
Eine Stunde spricht der 72-Jährige, Pausen lehnt er ab. Dann setzt er sich, packt seine Thermoskanne ein und schweigt wieder. Fragen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, lässt er seinen Anwalt Norbert Schaft ausrichten, wolle er an diesem Montag nicht beantworten.