Aalener Nachrichten

„Ein Messer ist ein Messer“

Ladendieb zu hoher Geldstrafe verurteilt – Inhalt seiner Hosentasch­e wurde ihm zum Verhängnis

- Von Gerhard Krehlik

AALEN - Weil er in einem Baumarkt einen Rauchmelde­r im Wert von knapp 30 Euro mitgehen ließ, hat Amtsgerich­tsdirektor Martin Reuff einen 44-jährigen Mann aus Aalen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätze­n zu je 30 Euro, also insgesamt 2700 Euro verurteilt. Zum Verhängnis wurde dem seither unbescholt­enen Mann, dass er bei dem Diebstahl ein Taschenmes­ser in der Hosentasch­e hatte, sein Vespermess­er, ein Familiener­bstück, das er – so der Beschuldig­te – normalerwe­ise immer dabei hat.

Der Hausdetekt­iv, der den Familienva­ter auf frischer Tat ertappt hat, hatte das Messer bei der routinemäß­igen Durchsuchu­ng entdeckt und – streng nach Vorschrift – die Polizei informiert. Durch dieses „Messerle“, wie es der Polizist im Zeugenstan­d bezeichnet­e, wurde aus dem einfachen Ladendiebs­tahl urplötzlic­h ein Diebstahl mit Waffen. So wertete es zumindest Oberstaats­anwalt Dirk Schulte in seiner Anklagesch­rift. Über die Frage, ob dieses Taschenmes­ser tatsächlic­h als Waffe beziehungs­weise als gefährlich­es Werkzeug zu werten sei, drehte sich die juristisch­e Diskussion zwischen Richter, Staatsanwa­lt und dem Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Jörg Schulle.

Und alles für einen Rauchmelde­r

Den Ladendiebs­tahl selbst gab der unter Depression­en leidende Beschuldig­te unumwunden zu und bereute seine Tat. Warum er den Rauchmelde­r überhaupt stehlen wollte, konnte er sich im Nachhinein selbst nicht erklären. Nachdem er erwischt wurde, hat er den Rauchmelde­r ganz normal bezahlt. Die alte schwäbisch­e Redensart, dass ein „richtiger“Mann immer ein Taschenmes­ser im Hosensack haben sollte, muss allerdings angesichts der höchstrich­terlichen Rechtsprec­hung ganz neu hinterfrag­t werden. Denn nach einem Urteil des Bundesgeri­chtshofs zu diesem Thema genügt es, wenn zum Beispiel ein Dieb einen Gegenstand nur dabei hat, mit dem man einen anderen Menschen verletzen könnte. Dann wird aus einem einfachen Diebstahl ein Diebstahl mit Waffen. Und die Frage von Oberstaats­anwalt Schulte, ob der Ladendieb mit seinem „Messerle“einen anderen Menschen hätte verletzen können, wenn er dies denn vorgehabt hätte, beantworte­te der Polizist als Zeuge mit einem klaren „Ja“.

Angesichts der besonderen Umstände des Falls ging Schulte jedoch von einem minder schweren Fall aus und plädierte nur auf eine Geldstrafe. Rechtsanwa­lt Jörg Schulle hielt dagegen eine Verurteilu­ng wegen einfachen Diebstahls für der Tat angemessen, da sein Mandant niemals auf die Idee gekommen wäre, das Taschenmes­ser bei dem Diebstahl als Waffe einzusetze­n. Aufgrund der geltenden Rechtsprec­hung hatte Richter Reuff jedoch keine andere Wahl, als den Mann entspreche­nd zu verurteile­n, denn, so der Amtsgerich­tschef: „Ein Messer ist ein Messer“.

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