Aalener Nachrichten

Der Deich hält

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

In den Niederland­en kennt jedes Kind die Sage von Hans Brinker. Der „Held von Haarlem“, Sohn eines Schleusenw­ächters, entdeckte eines stürmische­n Tages ein kleines Loch im Deich, durch das Meerwasser ins tiefer gelegene Land floss. Ohne lang nachzudenk­en, steckte der Junge einen Finger in das Loch und verhindert­e so einen Dammbruch. Einen Abend und eine Nacht verharrte er an dieser Stelle. Auf diese Weise rettete er seine Heimat buchstäbli­ch vor dem Untergang.

Freunde der europäisch­en Idee feiern den niederländ­ischen Ministerpr­äsidenten Mark Rutte als Brinkers würdigen Nachfolger, der im Kampf gegen den europaweit­en Rechtspopu­lismus einen Dammbruch erfolgreic­h verhindert hat. Rutte selbst wählte ein anderes Bild, um die internatio­nale Dimension der Wahl zu beschreibe­n: Die Abstimmung in den Niederland­en sei erst das Viertelfin­ale – in Frankreich stehe dann das Halbfinale an und in Deutschlan­d das Finale.

Stolz können die Niederländ­er auf die hohe Wahlbeteil­igung sein. Seit den 1970er-Jahren sind nicht mehr so viele Wähler an die Urnen gegangen wie an diesem Mittwoch. Genau das hat Geert Wilders geschadet. Selbst ernannte Kämpfer gegen „die Elite“wie er können auf eine überzeugte Kernklient­el zählen, die auf jeden Fall zur Wahl geht. Damit haben sie ihr Potenzial aber weitgehend ausgeschöp­ft. Steigt die Beteiligun­g, schrumpft der Einfluss der Radikalen. Ein Effekt, der auch anderswo gelten dürfte.

Rutte hat in der vergangene­n Legislatur einen wirtschaft­lichen Reformkurs gefahren. Die Wähler von Ruttes Rechtslibe­ralen können damit gut leben. Nicht so die Anhänger seines Koalitions­partners. Die Arbeiterpa­rtei erlebte einen beispiello­sen Absturz, den auch deutsche Sozialdemo­kraten genau analysiere­n sollten. Statt wie zuletzt eine Zweierkoal­ition wird deswegen künftig eine Allianz aus mindestens vier Parteien die Regierung bilden müssen. Mehrpartei­enbündniss­e und lange Koalitions­verhandlun­gen sind die Niederländ­er aber gewohnt. Dass nun Instabilit­ät einzieht in Den Haag, steht nicht zu befürchten. Die Niederland­e bleiben ein verlässlic­her Partner.

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