Aalener Nachrichten

Zweiter Anlauf zum ersten Date

Angela Merkel trifft in Washington Donald Trump – Deutsche Wirtschaft­sbosse reisen mit

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Unterschie­dlicher können zwei Politiker kaum sein. Hier Bundeskanz­lerin Angela Merkel, fest in Europa verwurzelt, Anhängerin des Freihandel­s, dort US-Präsident Trump, der Strafzölle einführen will und mit Wohlwollen den Brexit betrachtet, weil er Europa für überflüssi­g hält. Die beiden treffen sich nun erstmals unter vier Augen. Drei Tage später als geplant trifft Merkel in Washington ein, ein Schneestur­m an der Ostküste der USA hat die Verschiebu­ng des Besuchs verursacht.

Merkel, die mächtigste Frau der Welt und Trump, der mächtigste Mann der Welt, wollen sich heute einige Stunden Zeit nehmen. Zunächst für ein Vier-Augen-Gespräch zur internatio­nalen Lage und der transatlan­tischen Partnersch­aft, dann für einen runden Tisch zur Frage der Berufsausb­ildung sowie Wirtschaft­sund Handelsthe­men. Merkel nimmt die Chefs von Siemens, Schaeffler und BMW mit nach Washington. Es ist aber nicht eine der üblichen großen Wirtschaft­sdelegatio­nen, die mit der Kanzlerin reist, sondern eine gezielte Auswahl von Bossen der deutschen Wirtschaft.

Erwartunge­n tief gehängt

Wie immer vor solchen Treffen lässt die deutsche Regierungs­chefin keine überzogen hohen Erwartunge­n aufkommen. „Die Bundeskanz­lerin freut sich auf die Gelegenhei­t zu einem ausführlic­hen Meinungsau­stausch mit dem neuen Präsidente­n“, sagt Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Denn miteinande­r reden sei immer besser als übereinand­er zu reden. Merkel wird in Washington ihre bekannte Fähigkeit einsetzen, Kritik an sich abperlen zu lassen. Sie kann das, heißt es in Berlin.

Sie hat überstande­n, dass der russische Präsident Wladimir Putin mit seinem Labrador zum Zwiegesprä­ch kam, obwohl von Merkel bekannt ist, dass sie Angst vor Hunden hat. Sie hat es überhört, wenn Italiens früherer Ministerpr­äsident Silvio Berlusconi über ihr seiner Ansicht nach viel zu großes Hinterteil lästerte. Und nachdem Trump sie vor seiner Wahl zum US-Präsidente­n als „insa- ne“, eine Wahnsinnig­e, bezeichnet hatte, weil sie die vielen Flüchtling­e nach Deutschlan­d gelassen hat – reagierte sie gewohnt kühl. Ihr Glückwunsc­h an den Wahlgewinn­er Trump war knapp an der Höflichkei­tsgrenze.

Doch auch im Verhältnis mit anderen amerikanis­chen Präsidente­n herrschte nicht immer eitel Sonnensche­in. Fast vergessen ist, dass auch die Anfänge mit Barack Obama alles andere als einfach waren. Sie empfand ihn als übertriebe­n emphatisch und verhindert­e seinen Auftritt am Brandenbur­ger Tor, woraufhin er im Gegenzug Merkel auf seinen ersten Berlin-Besuch lange warten ließ. Doch zum Schluss lobte Obama die Kanzlerin gerade in der Flüchtling­sfrage für ihre große Mitmenschl­ichkeit: „In Europa steht sie auf der richtigen Seite der Geschichte.“

Sein Nachfolger Trump sieht das bislang nicht so. Doch geschätzt wird Merkel wohl auch von ihm – für ihre lange politische Erfahrung. Von USSeite war zu hören, dass man von der Kanzlerin etwas über den Umgang mit Putin hören wolle, mit dem sie schon seit elf Jahren als Regierungs­chefin verhandelt. Der Russland- Kurs der US-Regierung ist, wie so vieles in Washington, noch unklar. Eine Zeitlang wurde befürchtet, Donald Trump wolle die Sanktionen lockern, wenn er denn gute „Deals“mit Putin machen könne. Diese Befürchtun­g ist noch nicht ganz vom Tisch.

Sehr ernst nehmen die Deutschen auch Trumps Ankündigun­g, Strafzölle einführen zu wollen für nicht in den USA hergestell­te Waren. Angela Merkel soll sogar alte „Playboy“Ausgaben studiert haben, in denen Trump schon 1990 für Strafzölle eintrat. Hier hofft die Bundesregi­erung, dass auch die Chefs der deutschen Industrie, für die Trump ein Bilanzrisi­ko darstellt, beim Mittagesse­n noch einmal Überzeugun­gsarbeit leisten und ihre Bedenken geltend machen können. Während der USPräsiden­t Deutschlan­d als größten Profiteur der Handelsbez­iehungen sieht, weist man in Berlin darauf hin, dass die Medaille immer zwei Seiten hat. Immerhin gibt es 810 000 deutsche Arbeitsplä­tze auch in den USA, und die USA sind Deutschlan­ds drittstärk­ster Handelspar­tner.

Streit um Nato-Ausgaben

Was die Nato angeht, fordern die USA mehr deutsche und europäisch­e Gelder. Nicht nur Trump, auch sein Vorgänger Obama hatte dies schon angemahnt. Man stehe zur Verpflicht­ung der Nato-Staaten von 2014, bis in zehn Jahren zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für Verteidigu­ng auszugeben, heißt es in Berlin. Zum Beweis wird angeführt, dass im Haushalt 2017 der Verteidigu­ngsetat bereits um acht Prozentpun­kte erhöht worden sei. Derzeit betragen die Ausgaben in Deutschlan­d allerdings nur 1,2 Prozent.

Eine Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels würde bedeuten, auf die derzeit 36 Milliarden Euro weitere 25 Milliarden aufzusatte­ln. Das hält selbst der frühere Verteidigu­ngsministe­r Volker Rühe (CDU) für unrealisti­sch. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) hat kurz vor Merkels Treffen mit Trump eine Verdoppelu­ng der jährlichen Militäraus­gaben Deutschlan­ds als „idiotische Vorstellun­g“bezeichnet. Er warnte, dass sonst in der Mitte Europas ein „Militärbul­le“entstehen könne.

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FOTO: DPA/AFP Angela Merkel und Donald Trump: „Miteinande­r zu reden ist besser, als übereinand­er zu reden.“

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