Aalener Nachrichten

Das zweite Leben der Uralt-Autos

Im Kampf für saubere Luft wollen die UN das Höchstalte­r für Exportfahr­zeuge begrenzen

- Von Ulrich Mendelin

NAIROBI - Deutschlan­d ist eines der führenden Länder beim Export von Autos – nicht nur bei Neuwagen. Der Handel mit Gebrauchtf­ahrzeugen ist ein wachsender Markt. Im Jahr 2014 wurde das Handelsvol­umen weltweit auf 16,6 Milliarden Euro geschätzt. Die in Europa oder Japan ausrangier­ten Autos werden für ein zweites Leben beispielsw­eise nach Afrika verschifft. Dort finden sie Käufer, für die ein Auto sonst unerschwin­glich wäre. Gleichzeit­ig leiden in vielen Metropolen Menschen unter schlechter Luft, weil dort Autos unterwegs sind, die in Deutschlan­d schon längst durch den Tüv gefallen wären.

Ziele: Osteuropa und Afrika

Wer in Deutschlan­d sein altes Auto vor einem Einkaufsze­ntrum parkt, findet bei der Rückkehr oft ein laminierte­s Kärtchen hinter der Windschutz­scheibe vor: Import-ExportHänd­ler verspreche­n schnelles Bargeld für alte Autos. Diese Händler haben vorrangig zwei Zielmärkte: Osteuropa und Afrika. Einem UNReport zufolge wurden im Jahr 2009 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – aus der Europäisch­en Union 44 Prozent der exportiert­en Gebrauchtw­agen nach Afrika verschifft. Hinter Weißrussla­nd, dem Zielland von jedem zehnten Export-Gebrauchtw­agen, folgte auf Platz zwei mit sieben Prozent das westafrika­nische Benin – eines der ärmsten Länder der Welt, in dem aber einer der wichtigste­n Häfen Westafrika­s liegt. Von hier aus werden Autos in die ganze Region verfrachte­t.

So ist es etwa bei einem Besuch in Monrovia, der Hauptstadt des westafrika­nischen Staates Liberia, durchaus möglich, einen Laster mit dem Schriftzug einer Allgäuer Brauerei zu sehen oder einen Tankwagen mit dem Logo einer Molkerei aus Oberschwab­en. 2012 berichtete die „Schwäbisch­e Zeitung“über einen Kleinbus mit der Aufschrift eines Aulendorfe­r Hausbau-Unternehme­ns, der in Monrovia als Sammeltaxi seinen Dienst tat. In Deutschlan­d hatte der Wagen keinen Tüv mehr bekommen, die Besitzer meldeten ihn ab und verkauften ihn an einen Exporteur, für 300 Euro.

Aber auch Pkws werden in Afrika gefahren, bis sie auseinande­rfallen. Wenn nun bald, wie es der badenwürtt­embergisch­en Landesregi­erung vorschwebt, eine blaue Plakette ältere Dieselfahr­zeuge aus Stuttgart verbannt, werden viele dieser Autos über kurz oder lang in Afrika landen. „Hier gibt es keine Oldtimer“, sagt Rob de Jong. Der Niederländ­er leitet in Kenias Hauptstadt Nairobi beim Umweltprog­ramm der Vereinten Nationen UNEP die Abteilung für Verkehr. „In Uganda liegt das Durchschni­ttsalter eines Autos beim Import beispielsw­eise bei 16 Jahren. Und dann fährt es noch 20 Jahre.“In der Zeit kann ein Auto schon mal eine Laufleistu­ng von 700 000 Kilometern erreichen.

Das hilft Pendlern und der Wirtschaft – hat aber Nebenwirku­ngen. In Metropolen wie Nairobi leiden viele Einwohner unter Atemwegser­krankungen. Staus sind an der Tagesordnu­ng, gleichzeit­ig können sich sehr viele Menschen kein Auto leisten und sind als Fußgänger zwischen den Autos unterwegs, die wegen ihres oft hohen Alters oft viel Schadstoff ausstoßen. Um dem Dauerstau zu umgehen, weichen Pendler zudem vermehrt auf Motorräder aus – 2015 machten sie in Kenia schon 51 Prozent der Fahrzeugim­porte aus. Das schadet der Luft zusätzlich: „Die meisten Motorräder sind Zweitakter, die pro Kilometer vergleichb­ar viel Feinstaub ausstoßen wie ein großer Diesellast­wagen“, berichtet UNEPMitarb­eiterin Jane Akumu.

Kenias Regierung steht im Kampf gegen dreckige Luft ganz am Anfang. „Wir bauen gerade ein Messsystem für Luftversch­mutzung auf“, sagt Pa- cifica Achieng Ogola, die im kenianisch­en Umweltmini­sterium für Klimaschut­zprogramme zuständig ist. „Bislang haben wir nicht genügend Daten, wir haben zu wenig Informatio­nen.“Um die schlimmste­n AbgasSchle­udern zu verbannen, hat Kenia die Altersgren­ze für Importfahr­zeuge auf acht Jahre festgesetz­t.

Nachfrage steigt weiter

Im afrikanisc­hen Vergleich liegt das Land damit im Mittelfeld. In Benin liegt die Altersgren­ze für Importauto­s bei zehn, in Nigeria sogar bei zwölf Jahren. In Uganda gibt es gar keine Beschränku­ng. Nur wenige Staaten, darunter Südafrika, haben den Import von Gebrauchtw­agen komplett verboten. Diese strikte Regelung wäre für die meisten Entwicklun­gsländer nicht machbar – das weiß auch UNEP-Mitarbeite­r de Jong. „Wir versuchen alle Länder zusammenzu­bringen und die Altersgren­ze für den Import von Gebrauchtw­agen auf vier bis fünf Jahre zu drücken“, berichtet er. Erst Ende Februar kam das Thema bei einer Konferenz von UNEP und UN-Wirtschaft­skommissio­n für Europa auf den Tisch. Das Ziel der UN-Umweltschü­tzer ist eine weltweite freiwillig­e Vereinbaru­ng zum globalen Handel mit Gebrauchtw­agen.

Die Nachfrage nach Autos wird weiter wachsen: Derzeit gibt es weltweit 1,2 Milliarden Autos. Bis 2050 wird diese Zahl sich Schätzunge­n zufolge verdoppeln – vor allem wegen des steigenden Bedarfs in Entwicklun­gsländern.

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