Malen mit allen Sinnen
Ochsenhausen zeigt alpine und maritime Motive des Künstlers Christopher Lehmpfuhl
OCHSENHAUSEN - Sein Stil ist einmalig und unverwechselbar. Kraftvoll und zentimeterdick schichtet Christopher Lehmpfuhl die Farbe auf die Leinwand und formt damit die Bildgegenstände. Wenn er einen Sturm über der Nordsee malt oder eine Regenfront in den Alpen, dann wird die Kraft der Natur für den Betrachter fast physisch erlebbar. Damit dies gelingt, muss er aber selbst Wind und Wetter spüren. Es ist also ein Malen mit allen Sinnen direkt vor Ort. Unter dem Titel „Berge und Meere“sind jetzt 30 Arbeiten des Berliner Künstlers im Fruchtkasten in Ochsenhausen zu bestaunen. Die Ausstellung spannt den Bogen zwischen zwei landschaftlichen Extremen und ergänzt die neulich zu Ende gegangene Präsentation mit Oberschwaben-Bildern von Lehmpfuhl in Schloss Mochental.
Die Schau im Licht durchfluteten Saal in Ochsenhausen ist eine Wanderung über die Berge im Herzen Europas und ein Spaziergang an den Stränden von Ost- und Nordsee. Wenn Lehmpfuhl alpine oder maritime Landschaften malt, sucht er allerdings nicht den blauen Himmel und die idyllische Ruhe wie unsereiner im Urlaub, sondern genau das Ge- genteil. „Für mich ist Malen bei wechselhaftem Wetter spannender, sonst laufe ich Gefahr, in ein Postkartenidyll zu verfallen, das ich unbedingt vermeiden möchte“, erzählt der 45-Jährige in einem Interview, das sich im Buch zur Ausstellung findet.
Auch wenn der Künstler immer wieder aufs Neue Felsen, Berge und Meere malt, so sind seine Bilder nie gleich. Je nach Tageszeit, Sonnenstand, Wind und Licht verändern sich die Farben. Mal leuchten sie, mal sind sie düster. Mal ist die Szenerie einladend, mal bedrohlich. Und je größer das Format, umso gewaltiger die Wirkung auf den Betrachter. Bei Wand füllenden Gemälden wie etwa „Königssee im Licht“(2008) oder „Gletscherduett“(2013) hat man das Gefühl, in die Naturgewalten förmlich hineingezogen zu werden. Besonders wenn sie locker gehängt sind wie hier im Fruchtkasten. Kleine Formate kommen dagegen nur als Duo oder Trio gut zur Geltung. Menschen tauchen selten im Bild auf.
Meister im Mischen von Farben
Christopher Lehmpfuhl arbeitet in der Regel en plein air, also im Freien. Sobald der Künstler sein Motiv gefunden hat, bringt er Leinwand und Farbeimer an den Ort und legt ohne jede Skizze los. Die Ölfarbe trägt er dabei mit behandschuhten Fingern direkt auf die grundierte Leinwand auf – und zwar so cremig und dick wie kein anderer Zeitgenosse. In der Regel verwendet Lehmpfuhl fünf bis sechs Grundtöne. Titanweiß ist immer dabei, das braucht er zum Mischen. Auch Braun, Indigo und Saftgrün gehören oft zu seiner Farbpalette. Manchmal kommt noch ein Zitronengelb oder ein Kadmiumrot hinzu.
Aus der Nähe betrachtet wirkt seine Malerei abstrakt, erst aus der Ferne formen sich die Farbkaskaden zur jeweiligen Landschaft. Und weil er die Farben so pastos aufträgt, wiegen die Werke meist 50 Kilo und mehr. Bis die Oberfläche trocken ist, dauert es „oft ein halbes Jahr, aber durchtrocknen wird es nie“, sagt der Künstler. Das erklärt auch den Geruch nach frischer Ölfarbe in der Ausstellung.
Apropos. Eine perfekte Ergänzung ist das einfühlsame Filmporträt von Sebastian Schrade über den Maler bei einem seiner Aufenthalte in Island, das im Fruchtkasten im Nebenraum zu sehen ist. Die Kamera zeigt Lehmpfuhl nicht nur bei der Arbeit, sondern er kommt auch ausführlich zu Wort. So erzählt er beispielsweise, dass die karge, wüstenartige Gegend Islands das Auge eines Landschaftsmalers schult. Den Blick für die Erhabenheit der Natur hat Lehmpfuhl zweifellos – sei es im Gebirge oder an der See. Kein Wunder, dass die Preise für seine großen Formate inzwischen bei knapp 30 000 Euro pro Exemplar liegen. Die Ausstellung im Fruchtkasten dauert bis 7. Mai. Öffnungszeiten: Di.-Fr. 10-12 und 14-17 Uhr, Sa., So., Fei. 10-17 Uhr. Buch zur Ausstellung: 19 Euro.Weitere Infos auch zu den Führungen unter www.ochsenhausen.de