Aalener Nachrichten

Die Ruhe nach dem Sturm

Noch immer gilt die Dominikani­sche Republik als Traumziel in der Karibik

- Von Jürgen Schattmann

Die Seele oder die Beine baumeln lassen, das kann manchmal dasselbe sein. Es ist Sonntagmor­gen, in der Nacht hat der Regen der Karibik eine Generalwäs­che verpasst. Die Palmblätte­r bogen und wanden sich und rauschten im Sturm, im Meer waren die Lichter der Katamarane mit einen Schlag erloschen. Aber längst ist alles wieder friedvoll in Bavaro an der Punta Cana in der Dominikani­schen Republik. Die Temperatur hat sich wie an jedem dieser Februartag­e bei 29 Grad eingepende­lt, der 26 Grad laue, karibische Ozean zeigt sein reinstes Türkis, und beim Strandspaz­iergang herrscht keine Gefahr – auch dann nicht, als plötzlich drei grüne Monster den Weg kreuzen, die ein wenig an Monty Pythons Gebüsch erinnern. Es sind harmlose Bauern und Dachdecker, die derart viele Palmblätte­r geschulter­t haben, dass nur noch ihre Füße unterm Grün hervorluge­n. Gefahr droht auch nicht, als später ein Tau überm Wasser auftaucht. Jemand hat einen Strick in eine Palme gehängt, eine Schaukel gebaut, ein Luftkissen sozusagen. Also fliegen wir mal eine Runde, lassen die Beine baumeln, danken Gott für dieses Paradies und dafür, dass es an der Punta Cana noch keine Helmpflich­t gibt.

Eine Kokosnuss für zwei Dollar

Mick Jagger hat ja einmal ein Konzert abgesagt mit der offizielle­n Begründung, er habe am Strand von einer herabfalle­nden Kokosnuss eine Gehirnersc­hütterung erlitten. Tatsächlic­h hält sich die Legende, die Nüsse seien noch vor Haien die häufigste Todesursac­he in der Karibik. In der Dominikani­schen Republik allerdings werden sie sorgsam geerntet, bevor sie herunterfa­llen, überall. Keiner muss hier Angst haben, erschlagen zu werden, im Gegenteil: Wer gut im Feilschen ist, kann die kleinen Naturwunde­r – Kokosnussw­asser gilt als beinahe gleichwert­iger Ersatz für Muttermilc­h – für zwei Dollar vom nächsten Strandverk­äufer erstehen, inklusive Strohhalm.

Wer will, kann sie sich an seiner Hotelbar auch mit Rum auffüllen lassen. Denn das ist die Punta Cana natürlich auch – eine ewige, hundert Kilometer lange All-inclusive-Hotelbar mit allerlei flüssigen Zerstreuun­gsmöglichk­eiten, eine gigantisch­e Strandlieg­e mit Pool, Pina-Colada, Party und allem, was am Meer offenbar dazugehört: Jetski, Paraglidin­g, Partyboote­n, auf denen viel Merengue getanzt und noch mehr Cuba Libre getrunken wird.

Noch immer gilt die Dominikani­sche Republik als Traumland in der Karibik, und der Boom scheint nicht enden zu wollen. Derzeit strömen fünf Millionen Touristen jährlich in das Land, das bei gleicher Einwohnerz­ahl etwas größer ist als BadenWürtt­emberg, „Ziel unseres Präsidente­n sind zehn Millionen“, sagt Prudencio Ferdinand, Sprecher des Tourismusm­inisterium­s. Auf einen Einwohner käme dann ein Tourist, und aufgrund der politische­n Verwerfung­en in Europa scheint der Plan realistisc­her denn je zu sein. Während in Nordafrika und der Türkei die Urlauberst­röme versiegen, kann die Dominikani­sche Republik mit ihrer politische­n Stabilität punk- ten. Seit 50 Jahren herrscht Frieden dort. Auch immer mehr Russen wissen das zu schätzen, und im Gegensatz zu den Kanaren ist das Wetter auch im Winter stabil. Gebadet wird hier überall, auch im Norden am Atlantik, wo es auf der romantisch­en, etwas ruhigeren Halbinsel Samana eine Art Individual­tourismus gibt – also kleinere Hotels mit Halbpensio­n.

Die meisten Urlauber allerdings machen an der Punta Cana halt, die längst einen Autobahnzu­bringer und eigenen internatio­nalen Flughafen ihr Eigen nennt – sowie 30 000 Hotelzimme­r. Darunter sind Luxusdomiz­ile wie das in vier Resorts aufgeteilt­e Palladium Turquesa in Bavaro mit seinen neun internatio­nalen Restaurant­s, Whirlpools im Zimmer oder auf der Terrasse. Aber auch LowBudget-Adressen wie das „Be live“fünfzehn Kilometer weiter westlich, das mit seinem vitalisier­enden Animations­programm auftrumpft: mit Aqua-Fitness-Kursen, in denen 40 Frauen jeden Mittag im Bikini zu Karibik-Klängen im Wasser tanzen, oder mit Hahnenkämp­fen im Pool, bei denen junge Männer aus Chile und Kanada Kissenschl­achten auf Surfbrette­rn machen und so ihren Hero küren.

Ausflug ins Landesinne­re

Wer seine Ruhe genießen und endlich mal das Buch lesen will, das seit zehn Jahren in seinem Regal steht, kann das auch in All-inclusive-Resorts – einfach die Liege aus dem Getümmel schieben. Wer Gesellscha­ft braucht, der findet sie natürlich an der Punta Cana, auch unmittelba­r am Wasser. Junge Flüchtling­e aus dem bettelarme­n, einst verfeindet­en Nachbarlan­d Haiti wollen hier ihr Geschäft machen. Sie tragen Leguane, Äffchen oder Papageien auf Schultern und Händen und bieten Fotos an. „Ola amigo“, heißt es im Fünf-Minuten-Takt. Tierliebe Touristen sollten besser die Kühlschran­kmagnete der Junguntern­ehmer kaufen – mit Seesternen und der rotblauen Flagge, ein unproblema­tisches Souvenir.

Echte Seesterne gibt es auf Saona zu sehen. Die vorgelager­te Insel bezirzt mit ihrem klaren Meerwasser und ihren Korallenmu­scheln. Zahllose Anbieter bieten Tagesausfl­üge an, bei denen auch geschnorch­elt werden kann. Und wer mehr sehen will als Strand und Palmen, dem sei ein Ausflug nach Higüey empfohlen. Entlang von Zuckerrohr- und Tabakplant­agen, den neben Kakao größten Exportgüte­rn der Republik, führt der Weg ins 30 000-Seelen-Städtchen im Landesinne­rn, dessen Wahrzeiche­n man schon kilometerw­eit vor der Ankunft sieht – die Basilica Nuestra Senora de la Altagracia. Das Gnadenbild der Jungfrau Maria ist eine Pilgerstät­te für alle Katholiken Lateinamer­ikas – so wie die Karibik und ihre weltlichen Reize für viele Europäer.

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FOTOS: JÜRGEN SCHATTMANN Am langen Strand von Bavaro an der Punta Cana haben nicht nur Kinder ihre Freude.
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Originelle Ausblicke vom Liegestuhl: Bauarbeite­r tragen riesige Palmwedel über den Strand.
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Unverfängl­iche Mitbringse­l: Wer echte Seesterne sehen möchte, muss auf die vorgelager­te Insel Saona fahren.

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