Aalener Nachrichten

Münchner Amokläufer war ein Rassist

Der abschließe­nde Ermittlung­sbericht schließt Mitwisser und Mittäter aus

-

MÜNCHEN (AFP/dpa) - Die Vermutung stand früh im Raum, nun wurde sie von den Ermittlern offiziell bestätigt: Das Motiv für den Amoklauf von München war jahrelange­s Mobbing. Es machte aus dem psychisch labilen David S. im Juli vergangene­n Jahres den Mörder von neun Menschen. Auch das Rätsel, warum die Opfer fast alle einen Migrations­hintergrun­d hatten, ist gelöst: Südosteuro­päer mobbten ihn, ähnlich aussehende Menschen sollten seine Opfer werden.

David S. steigerte sich bis zu seiner Tat am 22. Juli am Olympia-Einkaufsze­ntrum über einen längeren Zeitraum in einen regelrecht­en Wahn, wie es Oberstaats­anwalt Hans Kornprobst nun zum Abschluss aller Ermittlung­sarbeit sagte. Für den 18-Jährigen waren „von ihm gehasste Personen mit einem Virus infiziert“– aus diesem Grunde musste er sie in seinem Weltbild vernichten.

Was wie die Grundidee eines schlechten Computer-Ballerspie­ls klingt, machte S. zur Realität. Der Deutsch-Iraner, der „exzessiv“am Computer Egoshooter-Spiele benutzt habe, zeigte dies besonders zu Beginn seines Amoklaufs.

In der Filiale einer Schnellimb­isskette beobachtet­e er am Tattag gute 40 Minuten lang die Gäste. Dann ging er in die Toilette, holte seine Pistole aus dem Rucksack und ging zielstrebi­g zu einer Sitznische mit sechs Teenagern.

Südosteuro­päer im Visier

Zwei 15 Jahre alte Mädchen, zwei 14-jährige Mädchen und einen 14-jährigen Jungen mit dem Aussehen der von ihm verhassten Südosteuro­päer tötete er. Nur ein 13-jähriges Kind konnte mit lebensgefä­hrlichen Schussverl­etzungen fliehen. Insgesamt 18 Schüsse gab der Amokläufer bei diesem Auftakt seiner Tat ab. Es sollten 41 weitere Schüsse folgen, dabei nahm er aber weit weniger zielstrebi­g die in Panik vor ihm fliehenden Menschen ins Visier. Vier weitere Menschen tötete er, mehrere weitere verletzte er, einige davon schwer.

Er hatte die Tat ein Jahr lang vorbereite­t, hegte Sympathien für nationalso­zialistisc­he Ideen und den rechtsextr­emen norwegisch­en Massenmörd­er Anders Breivik. „Zwar hatte David S. eine extreme Fremdenfei­ndlichkeit entwickelt, obwohl seine Familie selbst einen Migrations­hintergrun­d hatte“, sagte Hans Kornprobst. Dennoch ist er überzeugt: „Als politisch motiviert wird man die Tat nicht ansehen können.“

Die Ermittler hatten mehr als 1000 Videos und über 2000 Vernehmung­en von Zeugen ausgewerte­t. Durch die enorm umfangreic­hen Ermittlung­en „haben wir ein Gesamtbild des Täters gewonnen, das damals niemand hatte“, so Kornprobst. Der Schüler sei ein Außenseite­r gewesen. „Im Laufe der Zeit schuf sich David S. ein völlig irrational­es Weltbild“– etwa die Vorstellun­g, dass seine Feinde mit einem Virus infiziert seien und er sie deshalb töten müsse. Niemand schöpfte Verdacht. Dass er sich vor der Tat das Buch „Terror im Kopf“besorgt hatte, habe er gegenüber den Eltern mit einem Referat in der Schule erklärt, wie Oberstaats­anwältin Gabriele Tilmann sagte.

Vor Rätsel stelle die Ermittler allerdings, wie die Schießübun­gen unbemerkt bleiben konnten, 107 Schüsse insgesamt. Doch ein in Auftrag gegebenes Gutachten ergab: Durch den Stahlbeton des Hauses waren sie im Haus oder draußen nicht zu erkennen. „Unglaublic­h, wir hatten es uns zu Beginn auch nicht vorstellen können“, sagte Jürgen Miller von der Soko OEZ.

Am Ende wird nur einer zur Verantwort­ung gezogen. Der mutmaßlich­e Waffenhänd­ler, über den S. die Waffe bezogen hatte, ist wegen fahrlässig­er Tötung in neun Fällen angeklagt. Angehörige der Opfer wollen im Prozess als Nebenkläge­r auftreten. Sie werden von ihm aber wohl nichts darüber erfahren, warum ihre Liebsten starben: Von den Amokplänen wusste er laut Staatsanwa­ltschaft nichts.

 ?? FOTO: SVEN HOPPE ?? Das Olympia-Einkaufsze­ntrum acht Monate nach dem blutigen Amoklauf in München. Die Ermittlung­en sind nun abgeschlos­sen.
FOTO: SVEN HOPPE Das Olympia-Einkaufsze­ntrum acht Monate nach dem blutigen Amoklauf in München. Die Ermittlung­en sind nun abgeschlos­sen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany