Und der Wackeldackel nickt
SWR-Dokumentation: Auf den Spuren Martin Walsers
RAVENSBURG - Martin Walser wird am 24. März 90 Jahre alt. Viele wollen den Dichter vom Bodensee ehren – und sich auch ein wenig in seinem Glanze sonnen. „Dr Martin isch oiner von uns“, heißt es an einer Stelle in Frank Hertwecks Dokumentation „Unterwegs mit Martin Walser – Mein Diesseits“, die am 18. März im SWR Fernsehen gezeigt wird.
Man wollte wohl weg vom üblichen Mix aus Interview und Rückschau in Schwarz-Weiß und kam auf eine ganz nette Idee: Denis Scheck, die literarische Allzweckwaffe des SWR, fährt mit dem Schriftsteller in einem schönen, alten Mercedes mit Wackeldackel auf der Hutablage zu Orten, die eine Rolle in Walsers Leben und in seinen Romanen spielen.
Zuerst geht es nach Wasserburg. Dort ist Martin Walser aufgewachsen. Die Erinnerung daran, wie das war, als der Ortsgruppenleiter die Nachricht überbrachte, dass der Bruder gefallen ist, scheint Walser vor Augen zu stehen, als er das Haus betritt. Und auch, wo er seine spätere Frau zum ersten Mal gesehen hat. 1950 haben sie geheiratet, die schöne Käthe und der fesche junge Mann mit der Intellektuellenbrille. Und eine Träne quillt aus den von wuchernden Brauen umrahmten Augen. Das Elternhaus sieht nicht mehr so aus wie früher – und vieles andere am See auch nicht. Heftiger Walser-Zorn entlädt sich beim Anblick reichlich uninspirierter Neubauten.
Aber sonst ist der greise Dichter milde, wenn es zum Campingplatz nach Gohren oder nach Kümmertsweiler geht, den Schauplätzen in „Seelenarbeit“, „Ein springender Brunnen“oder „Einhorn“. Scheck, ganz braver Musterschüler, hat stets die passende Textpassage parat. Auf die alte Frage, wie viel eigene Erfahrung in den Romanen steckt, bekommt Scheck eine schöne WalserAntwort: „Also jetzt behaupte ich, ich habe noch nie etwas erfunden. Das Leben muss man in einen Roman verwandeln, sonst hält man es nicht aus.“
Die Paulskirche zum Schluss
Im leichten Plauderton werden verschiedene Themen abgehandelt – die durchaus von Eifersucht begleitete Männerfreundschaft mit Siegfried Unseld, der Einfluss der katholischen Kirche oder die ewige Angst Walsers, nicht genügend Geld zu besitzen.
Eine superkritische Annäherung an das Sujet war nicht zu erwarten. Es geht schließlich um eine Verbeugung vor einem Autor, der mit seinen Büchern und Reden die Bundesrepublik über Jahrzehnte hin porträtiert, begleitet und auch geprägt hat. Immerhin fragt Scheck dann doch noch nach der Paulskirchenrede. Ohne das geht ein Walser-Interview auch nicht. Dass er das Versöhnungsangebot von Ignaz Bubis ablehnte, das arbeitet in Walser. Bis heute. „Das hat mich doch auch verkrampft.“Und der Wackeldackel nickt. Dokumentation „Unterwegs mit Martin Walser – Mein Diesseits“am 18. März um 21:55 Uhr im SWR Fernsehen. Davor (20:15 Uhr) wird die Verfilmung von Walsers Roman
„Das Einhorn“gezeigt. SWR2 überträgt am 21. März um 20 Uhr „Zu träumen genügt“, ein
literarisches Lesespiel mit Martin Walser, live aus dem Literaturhaus Stuttgart, und sendet zwei Hörspiele. Außerdem wird am 22. März ab 17:05 Uhr in „SWR2 Forum“eine Diskussionsrunde unter dem Titel „Das Schreibenkönnen ist mein schlimmster Mangel“gesendet.