Aalener Nachrichten

Und der Wackeldack­el nickt

SWR-Dokumentat­ion: Auf den Spuren Martin Walsers

- Von Barbara Miller

RAVENSBURG - Martin Walser wird am 24. März 90 Jahre alt. Viele wollen den Dichter vom Bodensee ehren – und sich auch ein wenig in seinem Glanze sonnen. „Dr Martin isch oiner von uns“, heißt es an einer Stelle in Frank Hertwecks Dokumentat­ion „Unterwegs mit Martin Walser – Mein Diesseits“, die am 18. März im SWR Fernsehen gezeigt wird.

Man wollte wohl weg vom üblichen Mix aus Interview und Rückschau in Schwarz-Weiß und kam auf eine ganz nette Idee: Denis Scheck, die literarisc­he Allzweckwa­ffe des SWR, fährt mit dem Schriftste­ller in einem schönen, alten Mercedes mit Wackeldack­el auf der Hutablage zu Orten, die eine Rolle in Walsers Leben und in seinen Romanen spielen.

Zuerst geht es nach Wasserburg. Dort ist Martin Walser aufgewachs­en. Die Erinnerung daran, wie das war, als der Ortsgruppe­nleiter die Nachricht überbracht­e, dass der Bruder gefallen ist, scheint Walser vor Augen zu stehen, als er das Haus betritt. Und auch, wo er seine spätere Frau zum ersten Mal gesehen hat. 1950 haben sie geheiratet, die schöne Käthe und der fesche junge Mann mit der Intellektu­ellenbrill­e. Und eine Träne quillt aus den von wuchernden Brauen umrahmten Augen. Das Elternhaus sieht nicht mehr so aus wie früher – und vieles andere am See auch nicht. Heftiger Walser-Zorn entlädt sich beim Anblick reichlich uninspirie­rter Neubauten.

Aber sonst ist der greise Dichter milde, wenn es zum Campingpla­tz nach Gohren oder nach Kümmertswe­iler geht, den Schauplätz­en in „Seelenarbe­it“, „Ein springende­r Brunnen“oder „Einhorn“. Scheck, ganz braver Musterschü­ler, hat stets die passende Textpassag­e parat. Auf die alte Frage, wie viel eigene Erfahrung in den Romanen steckt, bekommt Scheck eine schöne WalserAntw­ort: „Also jetzt behaupte ich, ich habe noch nie etwas erfunden. Das Leben muss man in einen Roman verwandeln, sonst hält man es nicht aus.“

Die Paulskirch­e zum Schluss

Im leichten Plauderton werden verschiede­ne Themen abgehandel­t – die durchaus von Eifersucht begleitete Männerfreu­ndschaft mit Siegfried Unseld, der Einfluss der katholisch­en Kirche oder die ewige Angst Walsers, nicht genügend Geld zu besitzen.

Eine superkriti­sche Annäherung an das Sujet war nicht zu erwarten. Es geht schließlic­h um eine Verbeugung vor einem Autor, der mit seinen Büchern und Reden die Bundesrepu­blik über Jahrzehnte hin porträtier­t, begleitet und auch geprägt hat. Immerhin fragt Scheck dann doch noch nach der Paulskirch­enrede. Ohne das geht ein Walser-Interview auch nicht. Dass er das Versöhnung­sangebot von Ignaz Bubis ablehnte, das arbeitet in Walser. Bis heute. „Das hat mich doch auch verkrampft.“Und der Wackeldack­el nickt. Dokumentat­ion „Unterwegs mit Martin Walser – Mein Diesseits“am 18. März um 21:55 Uhr im SWR Fernsehen. Davor (20:15 Uhr) wird die Verfilmung von Walsers Roman

„Das Einhorn“gezeigt. SWR2 überträgt am 21. März um 20 Uhr „Zu träumen genügt“, ein

literarisc­hes Lesespiel mit Martin Walser, live aus dem Literaturh­aus Stuttgart, und sendet zwei Hörspiele. Außerdem wird am 22. März ab 17:05 Uhr in „SWR2 Forum“eine Diskussion­srunde unter dem Titel „Das Schreibenk­önnen ist mein schlimmste­r Mangel“gesendet.

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FOTO: SWR Man versteht sich: Martin Walser und Denis Scheck.

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