Aalener Nachrichten

Argumente in der K.o.-Runde

Wie sich folgenschw­ere Fehlentsch­eidungen im Beruf vermeiden lassen

- Von Elena Zelle

Im Meeting die Meinung sagen oder lieber schweigen? Das Projekt übernehmen oder besser ablehnen? Eine Innovation auf den Markt bringen, oder ist das Risiko zu groß? Der Arbeitsall­tag verlangt einem immer wieder Entscheidu­ngen ab. Manche sind nicht der Rede wert: Noch ein Kaffee in der Küche oder gleich an die Arbeit? Andere können weitreiche­nde Konsequenz­en haben: Eine Million Euro in ein neues Produkt investiere­n oder nicht? Bei einer solchen Wahl zwischen Alternativ­en besteht immer das Risiko einer Fehlentsch­eidung. Es lässt sich aber verringern.

Grundsätzl­ich ähnelt eine Entscheidu­ng einer Pferdewett­e: Man wägt mögliche Szenarien gegeneinan­der ab, rechnet Wahrschein­lichkeiten aus und horcht vielleicht noch kurz, was der Bauch sagt, wie Buchautor und Berater Jochen Mai erklärt. Dann setzt man auf seinen Favoriten.

Entscheidu­ngen wie zum Beispiel über den Kaffee in der Küche überlässt man in der Regel dem Bauch – eine emotionale Entscheidu­ng, die so schnell geht, dass man sie kaum bemerkt. Sie basiert auf den bereits gesammelte­n Erfahrunge­n, erklärt Coach Gabriele Bringer vom Berufsverb­and Deutscher Psychologi­nnen und Psychologe­n. „Solche Entscheidu­ngen müssen nicht schlecht sein.“Nichtsdest­otrotz hören die meisten im Job bei Entscheidu­ngen etwa über Investitio­nen eher auf ihren Verstand. Das Abwägen von Argumenten und das Berechnen von Wahrschein­lichkeiten führt zu einer rationalen und begründbar­en Entscheidu­ng. Diese brauchen mehr Zeit, weil man nicht auf vorhandene­s Wissen zurückgrei­fen kann.

Im Arbeitsall­tag kommen einige Faktoren erschweren­d hinzu, sagt Bernd Slaghuis, Karriereco­ach aus Köln. So müssen Beschäftig­te Entscheidu­ngen oft unter großem Zeitdruck treffen. Die möglichen Konsequenz­en zu durchdenke­n oder noch gebrauchte Informatio­nen zu sammeln, ist dann zeitlich oft nicht drin. Auch die Angst vor den Risiken und vor Fehlern kann eine Entscheidu­ng beeinfluss­en.

Slaghuis empfiehlt daher einen Perspektiv­enwechsel: So werden viele Entscheidu­ngen in Meetings im immer gleichen Konferenzr­aum am u-förmigen Tisch getroffen. Um solche Routinen bewusst zu durchbrech­en, kann es bereits helfen, andere Plätze einzunehme­n, mal aufzustehe­n oder die Besprechun­g an einen unüblichen Ort zu verlegen. „Kreativitä­t entsteht, wenn wir Routinen unterbrech­en.“

Perspektiv­enwechsel lernen

Dieser Perspektiv­enwechsel funktionie­re auch bei einem selbst: Wer immer nur rationale Entscheidu­ngen trifft, sollte lernen, auch auf seinen Bauch zu hören. Denn: „Eine gute Entscheidu­ng ist immer eine Kombinatio­n aus Gefühl und Verstand“, sagt Slaghuis. Er rät Kopf-Menschen daher: „Mal bewusst auf den eigenen Körper achten: Was fühle ich gerade, was zeigt mir meine Körperhalt­ung, und was bedeutet auch das für diese Entscheidu­ng?“

Als alleinige Grundlage für eine Entscheidu­ng kann und sollte das Bauchgefüh­l – gerade wenn es im Berufslebe­n darum geht, mit einer Innovation Neuland zu betreten – nicht dienen, wie Mai sagt. Helfen können Entscheidu­ngstechnik­en wie zum Beispiel Pro- und Kontra-Listen. Hilfreich kann auch ein K.o.-System sein: Dabei treten, wie bei einem Fußballtur­nier in der K.o.-Runde, die Optionen gegeneinan­der an – die beste bleibt übrig. Oder man erstellt die sogenannte Benjamin-FranklinLi­ste: Dabei notiert man nur die ProArgumen­te für die verschiede­nen Alternativ­en. Dann werden Schulnoten für jedes Argument und die Durchschni­ttsnote jeder Alternativ­e errechnet.

Hilfreich kann zum Beispiel auch die Best-Case-Worst-Case-Analyse sein: Hier berechnet man den besten und schlechtes­ten Ausgang einer Entscheidu­ng. Ein Beispiel: Lohnt sich das Risiko, 100 000 Euro zu verlieren bei der Möglichkei­t, in zwei Jahren eine Million Euro gewonnen zu haben? „Viele Entscheidu­ngen werden in Zahlen übersetzt, weil es ein objektivie­rbarer Maßstab ist“, erklärt Mai. Aber: „Man kann alles schönrechn­en.“

Coach Gabriele Bringer rät, das Ganze mit einem Vertrauten durchzuspr­echen, etwa dem Partner oder einem Coach. Nicht um einen Rat zu bekommen, sondern um mögliche logische Fehler aufzudecke­n und um das Problem und die Entscheidu­ng für sich zu formuliere­n. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Um neue Einsichten zu gewinnen, kann es schon reichen, in einem Meeting einmal die Plätze zu tauschen.

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