Aalener Nachrichten

Terroratta­cke im Herzen Londons

Tote und Verletzte nach Amokfahrt und Messerangr­iff im Regierungs­viertel

- Von Sebastian Borger und unseren Agenturen

LONDON - Am ersten Jahrestag der Anschläge von Brüssel hat am Mittwochna­chmittag ein unbekannte­r Täter eine tödliche Attacke vor dem Londoner Parlament verübt. Der Angreifer hatte mit einem Auto Fußgänger auf der Westminste­r Bridge angefahren und dann vor dem nahegelege­nen Parlament einen Polizisten angegriffe­n. Bei dem Anschlag sind nach Angaben der Polizei vier Menschen getötet und mindestens 20 weitere, darunter drei Gymnasiast­en aus Concarneau in der Bretagne, verletzt worden. Unter den Todesopfer­n seien auch der Attentäter und ein Polizist. Die britische Polizei ging am Mittwochab­end von einem „terroristi­schen“Angriff aus.

Wie der für Anti-Terror-Maßnahmen zuständige Scotland-Yard-Vizechef Mark Rowley sagte, tötete der Angreifer auf der Westminste­r Bridge mit seinem Auto zwei Menschen. Mindestens ein Passant versuchte sich durch einen Sprung in die Themse zu retten. Das nahegelege­ne St. Thomas-Krankenhau­s bestätigte später den Tod einer Frau, mehrere der anderen Verletzten hätten „katastroph­ale Verletzung­en“erlitten.

Der Angreifer raste dann mit seinem Geländewag­en zum Parlament, durchbrach dort eine Absperrung und stürmte mit einem Messer auf einen Polizisten zu. Der Beamte wurde laut Rowley getötet, der Angreifer von der Polizei erschossen. Offenbar handelte es sich bei Amokfahrer und Messerstec­her um denselben Täter. Augenzeuge­n beschriebe­n ihn beim TV-Sender Sky als einen ungefähr 30-Jährigen asiatische­r Herkunft.

Die dramatisch­en Szenen ausserhalb des Palastes von Westminste­r führten im Parlament zu chaotische­n Szenen. So berichtete die konservati­ve Abgeordnet­e Anna Soubry, bewaffnete Polizisten hätten mehrere Parlamenta­rier, darunter auch sie selbst, mit vorgehalte­ner Waffe in einen Abstimmung­sraum gebracht. Premiermin­isterin Theresa May wurde in die nahegelege­ne Downing Street gefahren. Das Unterhaus unterbrach eine Abstimmung. Die Beamten von Scotland Yard sperrten das Gelände weiträumig ab, der Verkehr im Regierungs­viertel kam zum Erliegen, die U-Bahnstatio­n Westminste­r wurde gesperrt.

LONDON (dpa/AFP) - Wer sich täglich durch die Menschenme­ngen in London quält, hatte davor schon lange Angst: Was wäre, wenn sich mitten im Zentrum eine Terroratta­cke ereignet? Am Mittwoch war es soweit – genau vor dem Parlament und auf einer nahen Brücke. Ganz in der Nähe von Touristena­ttraktione­n. Die Bilanz des Blutbads: mindestens fünf Tote und etwa 40 Verletzte, wie ein Scotland-Yard-Sprecher mitteilte.

Eine Messeratta­cke, Schüsse, ein Auto, das in Fußgänger raste. Menschen lagen bewegungsl­os auf dem Boden, schwerverl­etzt. Unter den Toten war auch der Angreifer, wohl ein Einzeltäte­r. Er soll sein Fahrzeug als Mordwaffe genutzt und dann einen Polizisten mit einem Messer attackiert haben. Der Polizist hat nicht überlebt.

„Das ist alles so schrecklic­h“, sagte eine schockiert­e Frau an einem Absperrban­d. „Da sagen die Leute: Haltet euch lieber nur in sicheren Gegenden auf. Und dann sterben Menschen ausgerechn­et auf einer Brücke.“Mit ihrem Mann ist die Engländeri­n nach London zu einem Theaterbes­uch gefahren. „Wir haben nur kurze Zeit später mit dem Bus die Parallelbr­ücke über die Themse überquert“, berichtete die Frau.

Hunderte von Menschen wurden aus dem Parlament gebracht, darunter viele Kinder, die das altehrwürd­ige Gebäude besucht hatten. 90 Minuten dauerte es nach Polizeiang­aben, bis es leer war.

„Ich habe in einem Gebäude ganz in der Nähe für meine Arbeit recherchie­rt. Sofort wurde alles abgeschlos­sen, da kam niemand mehr rein noch raus“, sagte Jacob Turner, ein junger Rechtsanwa­lt. Er habe gesehen, wie ein Rettungshu­bschrauber gelandet sei.

„Wir waren gerade dabei, Fotos vom Big Ben zu machen, als alle anfingen zu rennen“, erzählt die Augenzeugi­n Jayne Wilkinson der britischen Press Associatio­n. „Wir haben dann einen Mann gesehen, der ein etwa 20 Zentimeter langes Messer trug. Dann hörten wir drei Schüsse. Wir überquerte­n die Straße und sahen den Mann in seinem Blut am Boden liegen.“

Unübersich­tliche Lage

Die Lage war zunächst völlig unübersich­tlich. Hubschraub­er dröhnten über dem Parlaments­gebäude, das an der Themse liegt. Polizisten jagten Fußgänger fort, das betroffene Areal samt Parlament wurde evakuiert. Rettungskr­äfte und Passanten kümmerten sich um die Opfer.

„Wir behandeln dies als einen terroristi­schen Vorfall, bis wir etwas anderes wissen“, so Scotland Yard. „Meiden Sie den Parlaments­platz, Whitehall, Westminste­r und Lambeth Bridge, Victoria Station bis zur Kreuzung Broadway und Victoria Embankment.“Ein großes Areal.

Einige U-Bahnhöfe wurden geschlosse­n; Touristeng­ruppen saßen im Untergrund fest. Auch im berühmten Riesenrad London Eye steckten Menschen vorübergeh­end fest – mit Blick auf den Tatort. Die Polizei rief Zeugen auf, ihre Filmaufnah­men und Fotos an die Ermittler zu senden. Gleichzeit­ig rief sie zur Zurückhalt­ung auf und bat darum, keine Bilder und Videos von Opfern in Umlauf zu bringen. In Großbritan­nien gilt die zweithöchs­te Terrorwarn­stufe 4. Zwischenze­itlich wurden 600 zusätzlich­e Polizisten in London mobilisier­t, insgesamt 2800 sollen derzeit in der britischen Hauptstadt für Sicherheit sorgen.

Gibt es einen Zusammenha­ng mit einem anderen Blutbad? Die Angriffe in London wurden auf den Tag genau ein Jahr nach islamistis­chen Attacken in Brüssel verübt. Am 22. März 2016 rissen drei Selbstmord­attentäter am Flughafen der belgischen Hauptstadt und in der UBahnstati­on Maelbeek im Europavier­tel 32 Menschen mit in den Tod.

Der letzte große Terroransc­hlag in London ist fast zwölf Jahre her. Damals zündeten vier Islamisten mit britischem Pass in der Londoner U-Bahn und einem Bus Sprengsätz­e. 56 Menschen starben damals bei dem Anschlag.

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FOTO: VICTORIA JONES/PA WIRE/DPA Ausnahmezu­stand in London: Polizisten sperren nach dem Angriff eine Straße in der Nähe des britischen Parlaments ab.
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FOTO: DPA Mit diesem Auto fuhr der mutmaßlich­e Täter über die Brücke.

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