Terrorattacke im Herzen Londons
Tote und Verletzte nach Amokfahrt und Messerangriff im Regierungsviertel
LONDON - Am ersten Jahrestag der Anschläge von Brüssel hat am Mittwochnachmittag ein unbekannter Täter eine tödliche Attacke vor dem Londoner Parlament verübt. Der Angreifer hatte mit einem Auto Fußgänger auf der Westminster Bridge angefahren und dann vor dem nahegelegenen Parlament einen Polizisten angegriffen. Bei dem Anschlag sind nach Angaben der Polizei vier Menschen getötet und mindestens 20 weitere, darunter drei Gymnasiasten aus Concarneau in der Bretagne, verletzt worden. Unter den Todesopfern seien auch der Attentäter und ein Polizist. Die britische Polizei ging am Mittwochabend von einem „terroristischen“Angriff aus.
Wie der für Anti-Terror-Maßnahmen zuständige Scotland-Yard-Vizechef Mark Rowley sagte, tötete der Angreifer auf der Westminster Bridge mit seinem Auto zwei Menschen. Mindestens ein Passant versuchte sich durch einen Sprung in die Themse zu retten. Das nahegelegene St. Thomas-Krankenhaus bestätigte später den Tod einer Frau, mehrere der anderen Verletzten hätten „katastrophale Verletzungen“erlitten.
Der Angreifer raste dann mit seinem Geländewagen zum Parlament, durchbrach dort eine Absperrung und stürmte mit einem Messer auf einen Polizisten zu. Der Beamte wurde laut Rowley getötet, der Angreifer von der Polizei erschossen. Offenbar handelte es sich bei Amokfahrer und Messerstecher um denselben Täter. Augenzeugen beschrieben ihn beim TV-Sender Sky als einen ungefähr 30-Jährigen asiatischer Herkunft.
Die dramatischen Szenen ausserhalb des Palastes von Westminster führten im Parlament zu chaotischen Szenen. So berichtete die konservative Abgeordnete Anna Soubry, bewaffnete Polizisten hätten mehrere Parlamentarier, darunter auch sie selbst, mit vorgehaltener Waffe in einen Abstimmungsraum gebracht. Premierministerin Theresa May wurde in die nahegelegene Downing Street gefahren. Das Unterhaus unterbrach eine Abstimmung. Die Beamten von Scotland Yard sperrten das Gelände weiträumig ab, der Verkehr im Regierungsviertel kam zum Erliegen, die U-Bahnstation Westminster wurde gesperrt.
LONDON (dpa/AFP) - Wer sich täglich durch die Menschenmengen in London quält, hatte davor schon lange Angst: Was wäre, wenn sich mitten im Zentrum eine Terrorattacke ereignet? Am Mittwoch war es soweit – genau vor dem Parlament und auf einer nahen Brücke. Ganz in der Nähe von Touristenattraktionen. Die Bilanz des Blutbads: mindestens fünf Tote und etwa 40 Verletzte, wie ein Scotland-Yard-Sprecher mitteilte.
Eine Messerattacke, Schüsse, ein Auto, das in Fußgänger raste. Menschen lagen bewegungslos auf dem Boden, schwerverletzt. Unter den Toten war auch der Angreifer, wohl ein Einzeltäter. Er soll sein Fahrzeug als Mordwaffe genutzt und dann einen Polizisten mit einem Messer attackiert haben. Der Polizist hat nicht überlebt.
„Das ist alles so schrecklich“, sagte eine schockierte Frau an einem Absperrband. „Da sagen die Leute: Haltet euch lieber nur in sicheren Gegenden auf. Und dann sterben Menschen ausgerechnet auf einer Brücke.“Mit ihrem Mann ist die Engländerin nach London zu einem Theaterbesuch gefahren. „Wir haben nur kurze Zeit später mit dem Bus die Parallelbrücke über die Themse überquert“, berichtete die Frau.
Hunderte von Menschen wurden aus dem Parlament gebracht, darunter viele Kinder, die das altehrwürdige Gebäude besucht hatten. 90 Minuten dauerte es nach Polizeiangaben, bis es leer war.
„Ich habe in einem Gebäude ganz in der Nähe für meine Arbeit recherchiert. Sofort wurde alles abgeschlossen, da kam niemand mehr rein noch raus“, sagte Jacob Turner, ein junger Rechtsanwalt. Er habe gesehen, wie ein Rettungshubschrauber gelandet sei.
„Wir waren gerade dabei, Fotos vom Big Ben zu machen, als alle anfingen zu rennen“, erzählt die Augenzeugin Jayne Wilkinson der britischen Press Association. „Wir haben dann einen Mann gesehen, der ein etwa 20 Zentimeter langes Messer trug. Dann hörten wir drei Schüsse. Wir überquerten die Straße und sahen den Mann in seinem Blut am Boden liegen.“
Unübersichtliche Lage
Die Lage war zunächst völlig unübersichtlich. Hubschrauber dröhnten über dem Parlamentsgebäude, das an der Themse liegt. Polizisten jagten Fußgänger fort, das betroffene Areal samt Parlament wurde evakuiert. Rettungskräfte und Passanten kümmerten sich um die Opfer.
„Wir behandeln dies als einen terroristischen Vorfall, bis wir etwas anderes wissen“, so Scotland Yard. „Meiden Sie den Parlamentsplatz, Whitehall, Westminster und Lambeth Bridge, Victoria Station bis zur Kreuzung Broadway und Victoria Embankment.“Ein großes Areal.
Einige U-Bahnhöfe wurden geschlossen; Touristengruppen saßen im Untergrund fest. Auch im berühmten Riesenrad London Eye steckten Menschen vorübergehend fest – mit Blick auf den Tatort. Die Polizei rief Zeugen auf, ihre Filmaufnahmen und Fotos an die Ermittler zu senden. Gleichzeitig rief sie zur Zurückhaltung auf und bat darum, keine Bilder und Videos von Opfern in Umlauf zu bringen. In Großbritannien gilt die zweithöchste Terrorwarnstufe 4. Zwischenzeitlich wurden 600 zusätzliche Polizisten in London mobilisiert, insgesamt 2800 sollen derzeit in der britischen Hauptstadt für Sicherheit sorgen.
Gibt es einen Zusammenhang mit einem anderen Blutbad? Die Angriffe in London wurden auf den Tag genau ein Jahr nach islamistischen Attacken in Brüssel verübt. Am 22. März 2016 rissen drei Selbstmordattentäter am Flughafen der belgischen Hauptstadt und in der UBahnstation Maelbeek im Europaviertel 32 Menschen mit in den Tod.
Der letzte große Terroranschlag in London ist fast zwölf Jahre her. Damals zündeten vier Islamisten mit britischem Pass in der Londoner U-Bahn und einem Bus Sprengsätze. 56 Menschen starben damals bei dem Anschlag.