Den Dialog am Laufen halten
Seit zehn Jahren gibt es in Aalen den christlich-islamischen Dialogkreis
AALEN - Trump, Erdogan, Le Pen, Wilders: Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen ist vordergründig angespannt wie selten zuvor. Der christlich-islamische Dialogkreis, der sich seit zehn Jahren um ein gutes Verhältnis zwischen den Religionen bemüht, bleibt aber seiner Linie treu: Den Dialog am Laufen halten. „Wir pflegen ein gutes Miteinander – auch das ist eine politische Aussage“, sagt Manfred Metzger, evangelischer Pfarrer in Unterkochen. „Ich sehe unser Verhältnis nicht angespannt. Gute Nachbarschaft darf unter so etwas nicht leiden“, fügt Muammer Ermis, Sprecher der Türkisch-Islamischen Gemeinde zu Aalen, an.
Mittwoch, 12 Uhr, Ditib-Moschee in der Ulmer Straße. Auf den Tischen duftet eine leckere türkische Bauernsuppe. Am Tisch sitzen neben Metzger und Ermis Diakon Michael Junge von der katholischen Kirche und Tina Brüggemann vom Aalener Stadttheater. Die „Gerücheküche“im Rahmen des soziokulturellen Projekts „Boulevard Ulmer Straße“macht Station an der Moschee. Und wohl selten passte der Name „Gerücheküche“so gut.
Und wohl selten war der gemeinsame Verzehr einer Suppe so symbolträchtig. Dass das deutsch-türkische Verhältnis auf politischer Ebene derzeit nicht das beste ist, davon ist hier nichts zu spüren. „Auch in einer angespannten Situation darf die gute Nachbarschaft nicht leiden“, sagt Muammer Ermis.
Und das sie nicht leidet, das zeigt der Andrang. Gut 100 Suppenfreunde drängeln sich um den pink bemalten Bauwagen, in dem Küchenchefin Cigdem Celik, Schriftführerin im weltlichen und ehrenamtlichen Vorstand der Moschee, die Suppe kocht. Hinterher reicht sie Baklava, türkischen Honig und Tee. Auch das hat seinen hintergründigen Sinn: „Süß essen – süß sprechen“, zitiert Ermis ein türkisches Sprichwort.
„Es gab eine Zeit, da hat die Politik in unserem Dialogkreis keine so große Rolle gespielt“, gesteht Manfred Metzger, „deshalb ist es gut, dass man in solchen Zeiten zusammensitzt, gemeinsam Suppe isst und den Ball flach hält.“So sehen es auch die anderen. „Es ist gut, auf der Ebene einer Tischgemeinschaft zu kommunizieren“, fügt Diakon Michael Junge an. Und Tina Brüggemann meint mit Blick auf die szenisch-musikalische Lesung „Nathan Next Door“: „Der Dialog ist der Motor des Projekts ,Boulevard Ulmer Straße’. Wir wollen diesen Dialog am Laufen halten.“Lessings „Nathan der Weise“, aktuelles Stück am Aalener Stadttheater, liefert Steilvorlagen genug, denn für Metzger ist das Stück ein „Glaubensbekenntnis für Toleranz, das wir in schwierigen Zeiten abgeben“. Da will man sich auch nicht auseinandertreiben lassen.
Gerne blickt Brüggemann auf die Lesung in der Moschee zurück. „Die Erfahrung war sehr, sehr positiv. Wir sind nach der Lesung mit vielen unterschiedlichen Menschen lange zusammengesessen, darunter auch viele Jugendliche. Wir haben eine gemeinsame Erfahrung gemacht.“Es gebe einen Wunsch in den Herzen der Menschen nach einem friedlichen Miteinander. „Auch wenn wir alle den Weg noch nicht so genau kennen“, gesteht sie.
In Metzgers Friedenskirche in Unterkochen wird die Lesung im Mai – nach Aufführungen in der Bopfinger Synagoge und in der Aalener Moschee – erneut zu erleben sein. Lessings Text sei schwierig, stellenweise sprachlich eine Zumutung, lacht Metzger, „aber wer etwas lernen will, der muss sich auch etwas zumuten“, fügt Metzger an.
Wie aus Herr Metzger Manfred wurde
„Es ist gut, dass man in solchen Zeiten zusammensitzt und gemeinsam Suppe isst“, sagt Manfred Metzger, evangelischer Pfarrer in Unterkochen.
Der christlich-islamische Dialogkreis lebt vieles vor. Beim Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre sind vor allem die gemeinsamen Reisen in Erinnerung geblieben. Zum Beispiel nach Istanbul 2008. „Damals“, so beschreibt Muammer Ermis das gute Verhältnis, „ist aus Herr Metzger Manfred geworden.“ Am Mittwoch, 29. März, wird die „Gerücheküche“um 12.30 Uhr mit einer kostenlosen Führung durch die Ditib-Moschee ergänzt. Am
Freitag, 26. Mai, um 19.30 Uhr ist in der Evangelischen Friedenskirche in der Keplerstraße 4 in Unterkochen noch einmal die szenisch-musikalische Lesung „Nathan next door“im Rahmen des Projekts „Boulevard Ulmer Straße“des Theaters der Stadt Aalen zu sehen (Eintritt frei).