Fünfkampf um den Titel
Hamilton, Bottas, Vettel, Verstappen und Ricciardo sind die Favoriten für die Rosberg-Nachfolge
MELBOURNE (SID/dpa/sz) - 119 Tage lang wird Nico Rosberg am Sonntag, wenn mit dem Rennen in Melbourne (7 Uhr/RTL und Sky) die Formel 1 wieder losgeht, Weltmeister sein. 114 Tage der zurückgetretene Weltmeister. So konsequent, so richtig die Entscheidung für ihn gewesen sein mag, sein Rücktritt könnte zum falschen Zeitpunkt gekommen sein. Zumindest, wenn man den vollmundigen Ankündigungen der neuen Eigner der Bleifußhatz glauben mag. Spektakulärer soll die Formel 1 anno 2017 sein, packender, lauter. Der Fahrer soll wieder im Mittelpunkt stehen, nicht die Technik. „Wir wollen, dass sie alle Stars sind“, sagte Chase Carey, der Bernie Ecclestone als Oberzampano abgelöst hat, dieser Tage in einem Interview der Zeitung „The Times“. Er träumt davon, dass jeder Grand Prix zu einem Super Bowl mit Rädern wird. Man merkt, die neuen Eigner von Liberty Media kommen aus den USA.
Wie gut ist Bottas?
Ob die Rennen tatsächlich spannender werden, müssen die Rennen zeigen. Die Boliden jedenfalls sehen nach den umfangreichen Änderungen im Regelwerk deutlich spektakulärer aus als zuletzt: breiter sind sowohl Räder als auch Chassis, die Motoren dürfen zudem wieder röhren und fauchen wie in guten, alten Zeiten. Dass es sich immer noch um zwangsbeatmetete Sechszylinder mit zusätzlichem Elektroantrieb handelt, merkt man den neuen Autos nicht mehr an. Die Fahrer jedenfalls waren nach den Tests begeistert von ihren neuen Dienstwagen, auch, weil sie schwerer zu bändigen sind als zuletzt. Rosberg bereut seinen Rücktritt nicht, aber „ein bisschen komisch“werde es wohl sein für ihn, wenn die früheren Rivalen die Jagd auf seinen WM-Titel eröffnen, räumte er ein.
Seine früheren Rivalen? Vor allem der frühere Rivale gilt natürlich auch vor dieser Saison als größter Favorit. „Ich will diesen Titel so sehr für euch alle gewinnen“, twitterte Lewis Hamilton, der dreimalige Champion, an die Adresse seiner Abermillionen Fans. Unter der Voraussetzung, dass Mercedes auch nach den umfangreichen Änderungen im Reglement das stärkste Auto stellt – der Antrieb ist noch immer Maß aller Dinge –, käme Hamiltons größter Rivale automatisch aus den eigenen Reihen. Am Potenzial von Valtteri Bottas scheiden sich aber die Geister. Die einen halten den 27-jährigen Finnen für einen kommenden Weltmeister, dem bislang allein ein titelfähiges Auto fehlte. Die anderen sehen in ihm eine solide Übergangslösung, die 2018 einem Top-Star weichen muss. Der Sebastian Vettel heißen könnte, zumindest hat Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff dem Heppenheimer vor wenigen Tagen bereits den Roten Teppich ausgerollt.
Vettel befindet sich im letzten seiner drei Vertragsjahre bei Ferrari, eine Verlängerung ist alles andere als ausgeschlossen, dürfte aber stark von der Leistung seines neuen Autos abhängen. Gina hat Vettel seine neue rote Göttin genannt. Gina, die Kurzform von Regina, was im Lateinischen und Italienischen „Königin“oder „Herrscherin“bedeutet. Wenn die Karre schneller ist als Margherita, mit der Vettel letztes Jahr mehr Ärger als Freude hatte und kein einziges Rennen gewinnen konnte, sollte aber auch Vettel in der Lage sein, die Dominanz der Silberpfeile zu brechen. „Aufzuholen, dann die anderen zu überholen – das ist doch die Motivation“, sagt Vettel, „ich will das Maximum. Am Ende des Tages sind das Siege und der Titel.“
Die Tests waren vielversprechend, die Scuderia war am schnellsten unterwegs und hatte so gut wie keine Probleme mit der Zuverlässigkeit. Einen derart guten Eindruck machte Ferrari seit vielen Jahren nicht. Mercedes hat die Favoritenrolle sogar nach Italien weitergegeben – was aber auch Taktik sein könnte. „Jeder sagt natürlich, dass Mercedes wieder gewinnen muss. Aber das sind die naiven Menschen. Ich glaube, es liegt ein hartes Jahr vor uns“, sagte Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda.
Red Bull Racing mit Supertalent Max Verstappen und Daniel Ricciardo hatte dagegen noch Schwierigkeiten mit dem Renault-Motor. 20 Rennen umfasst der Rennkalender in dieser Saison, wie 2015 fehlt Deutschland aber – erst nächste Saison wird es in Hockenheim wieder einen Großen Preis von Deutschland geben.