Aalener Nachrichten

Bissig ohne Ladehemmun­g

Kabarettis­t René Sydow fordert in Aalen „kreativen Ungehorsam“

- Von Markus Lehman

AALEN - Es gibt Sachen, dazu fällt auch dem Kabarettis­ten René Sydow kein Witz ein. Denn zu irre und krank kommt der Wahnsinn in Politik, Medien und Zeitgeist daher. Stillhalte­n kann sein „bissiger Mund“aber trotzdem nicht. Er rief mal eben das „Volk“in der Stadthalle zum zivilen Ungehorsam auf. Christian Friedrich Daniel Schubart hätte das wohl gut gefallen. Sydows Kabarettab­end im Kleinkunst-Treff passte jedenfalls gut in die „Wortgewalt­ig“-Reihe.

Seit 2012 steht er auf Poetry-SlamBühnen, hat unter anderem den Deutschen Kabarettpr­eis oder den Kleinkunst­preis Baden-Württember­g bekommen. Sydow ist Jahrgang 1980. Und ein bisschen 80er-Jahremäßig klingt auch sein aktuelles Programm „Warnung vor dem Munde“. Das gemahnt an Dietrich Kittners „Vorsicht, bissiger Mund!“Schwamm drüber. Ein Buch bewertet man ja auch nicht nach dem Cover. Denn Sydow ist ein scharfer Beobachter mit der Gabe, Unzumutbar­keiten, Unsägliche­s und Unerträgli­ches in Lyrik zu kleiden. Oder das Übel beim Namen zu nennen, wenig lässt er ungeschore­n und ist dabei tagesaktue­ll.

Wie werden wohl Selbstmord­attentäter im Jenseits begrüßt? Findet es der Schöpfer wirklich so gut, wenn ein Spinner Gottes Kinder ermordet? Nicht sehr lange verweilt Sydow bei globalen Themen. Warum auch. Europa ist kaputt genug und im Land der Dichter und Denker gibt es auch genug zu tun angesichts solch Personals wie „Merkel, der Reichsverw­eserin Kohls“oder Frauke Petry, die er gern in Bildungsur­laub schicken würde. Urlaub? Man braucht nicht weit zu reisen, stellt er klar – „braun werden kann man auch in Sachsen.“

Einige Monate vor dem vermeintli­ch für die Menschheit finalen 21. 12. 2012 stand der vom Bodensee stammende Kabarettis­t auf den PoetryBühn­en. Hatten die Mayas den Weltunterg­ang 2012 falsch berechnet? Nein, stellt er fest: Die Schweizer hatten erklärt „da machen wir nicht mit, wir sind neutral“. Eine Menge Themen verwurstet Sydow, vieles ist geistreich, makaber-intelligen­t und manchmal kann einem das Lachen im Hals stecken bleiben, wenn es um den Brexit, Erdogan, Andrea Nahles, deutsche Schullehrp­läne oder um millionens­chwere steuerbetr­ügende Fußball-Stars geht.

Dann fordert er die Besucher auf, Querdenker zu werden, sich im „kreativen Ungehorsam“zu üben, ja gar eine „Bastion des Ungehorsam­s“zu werden. Wie gesagt – Aalens großem aufmüpfige­n Sohn hätte dieser Abend wohl gefallen.

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FOTO: MARKUS LEHMANN Mit seinem aktuellen Programm „Warnung vor dem Munde“war René Sydow beim Kleinkunst­reff in der Stadthalle.

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