Aalener Nachrichten

Dunkle Schatten auf der Solarwelt

Solarworld will nach 92 Millionen Euro Verlust 400 der noch etwa 3300 Stellen abbauen

- Von Hannes Koch

BERLIN - „Ein grimmiger Prediger des Verzichts“sei er nicht, sagte der lebensfroh­e Frank Asbeck einmal in einem Interview. Seinen Investoren allerdings musste der Solarworld­Chef am Mittwoch doch wieder einen Verlust schmackhaf­t machen. Ihr Kapital schmilzt dahin. Der größte deutsche Produzent von Fotovoltai­kzellen und Solarmodul­en beziffert für 2016 seinen Konzernver­lust auf 92 Millionen Euro. Die in Bonn ansässige Firma, einst Star der deutschen Sonnenener­gie-Branche, kommt aus den Turbulenze­n nicht heraus.

Die roten Zahlen resultiert­en aus „Rückstellu­ngen, Wertberich­tigungen“und Kosten für die Umstruktur­ierung der Produktion. Das Eigenkapit­al sei um 87 auf 122 Millionen Euro gesunken. Positiv war zu vermelden, dass immerhin der Umsatz auf 803 Millionen Euro stieg.

Asbeck: China drückt Preise

Erneut macht Asbeck chinesisch­e Exporte zu „Dumpingpre­isen“für die Schräglage seiner Firma verantwort­lich. Dortige Hersteller würden ihre Zellen und Module unter Herstellun­gskosten auf dem Weltmarkt verkaufen und die Preise drücken. Nun will das Unternehme­n reagieren, indem es 400 von 3300 Arbeitsplä­tzen einspart. Künftig sollen im sächsische­n Freiberg keine Zellen, sondern nur Module gefertigt werden. Das sind die kompletten Anlagen, die die Kunden kaufen. Die Zellproduk­tion will man dagegen in Arnstadt (Thüringen) konzentrie­ren, wo es dann keine Modulherst­ellung mehr geben soll.

Außerdem plant Asbeck, sich auf monokrista­lline Fotovoltai­k-Zellen zu spezialisi­eren, die mehr Energie erlösen. Mit diesen „Hochleistu­ngsprodukt­en“will er bis 2019 wieder in die Gewinnzone kommen. Neben Freiberg und Arnstadt betreibt Solarworld ein Produktion­swerk in Hillsboro im US-Bundesstaa­t Oregon.

Seit der Gründung 1998 und dem Börsengang 1999 stand Solarworld dafür, dass die deutsche Energiewen­de auch für die Anlagen-Produzente­n eine ökonomisch­e Erfolgssto­ry sein konnte. Dank des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder, der hohen Festpreise für Solarstrom und des dadurch ausgelöste­n Nachfrageb­ooms wuchs das Unternehme­n rapide. Unternehme­rsohn Asbeck, der mit 15 Jahren in die Jugendorga­nisation der Deutschen Kommunisti­schen Partei (DKP) eintrat und später ein Mitgründer der Grünen war, traute sich was: 2006 kaufte er die Solarspart­e des Ölkonzerns Shell, 2007 erwarb er von der japanische­n Komatsu-Gruppe das Werk in Hillsboro.

Schließlic­h verleibte Solarworld sich die Solarfilia­le von Bosch samt der Fabrik in Arnstadt ein. Zwischendu­rch bot Asbeck dem US-Konzern General Motors noch an, dessen defizitäre Tochter Opel mit über 30 000 Beschäftig­ten zu übernehmen, um aus ihr den ersten „grünen“Automobilb­auer zu machen. GM lehnte ab.

2012 war die Glückssträ­hne zu Ende. Unter dem Strich stand ein Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro. Neben dem rapiden Wachstum machten sich vor allem zwei Ursachen bemerkbar: Erstens kürzte die Bundesregi­erung die Einspeisev­ergütung für erneuerbar­e Energien, weil die steigenden Kosten zu politische­n Konflikten führten. Zweitens stiegen chinesisch­e Firmen in den Weltmarkt ein. Sie sorgten dafür, dass die Preise für PV-Zellen und Module massiv zurückging­en.

Solarworld stand kurz vor dem Aus. Nur mit einem Schulden- und Kapitalsch­nitt überlebte die Firma. Gläubiger und Aktionäre verzichtet­en auf einen Großteil ihrer Ansprüche. Danach ging es wieder etwas aufwärts, auch weil unter anderem Asbeck bei der EU gegen die chinesisch­en Importe klagte und Strafzölle durchsetzt­e. Behoben ist das grundsätzl­iche Problem damit aber offenbar nicht. Der Preiskampf setzt sich fort.

730 Millionen Euro Schadeners­atz

Während der deutsche Markt für Solaranlag­en wegen der geringeren staatliche­n Unterstütz­ung und Einspeisev­ergütung viel langsamer wächst als noch vor fünf Jahren, dehnt sich das Produktion­svolumen in anderen Staaten zunehmend aus. So liegen auch die Hoffnungen von Solarworld-Chef Asbeck auf dem Wachstum des Weltmarkte­s. Wenn die Aktionäre und Geldgeber durchhalte­n, kann der deutsche Konzern mit etwas Glück neben der chinesisch­en Konkurrenz bestehen.

Dafür allerdings muss noch ein ganz dicker Brocken aus dem Weg geräumt werden. Ein US-Gericht verurteilt­e Solarworld 2016 zur Zahlung von umgerechne­t 730 Millionen Euro Schadeners­atz. Geklagt hatte der USSilizium­lieferant Hemlock, weil die deutsche Firma den Abnahmever­trag für den Zellenrohs­toff Silizium nicht eingehalte­n habe. Zwar ist die Entscheidu­ng noch nicht rechtskräf­tig. Klar aber erscheint, dass Solarworld eine derartige Summe kaum stemmen könnte.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Vorstandsv­orsitzende von Solarworld, Frank Asbeck, bei der Präsentati­on der Jahresbila­nz mit tiefroten Zahlen.
FOTO: DPA Der Vorstandsv­orsitzende von Solarworld, Frank Asbeck, bei der Präsentati­on der Jahresbila­nz mit tiefroten Zahlen.

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