EU will Brexit in zwei Phasen aushandeln
Donald Tusks Verhandlungsleitlinien widersprechen den Wünschen von Premierministerin Theresa May
BRÜSSEL/VALLETTA (dpa) - Die EU verfolgt beim Brexit eine harte Verhandlungslinie. Gegen den Wunsch von Premierministerin Theresa May beharrt EU-Ratspräsident Donald Tusk darauf, in zwei getrennten Schritten zunächst den geordneten EU-Austritt zu klären und erst danach die Grundsätze für eine künftige Partnerschaft festzulegen.
„Parallele Verhandlungen zu allen Themen zu beginnen, wie von einigen im Vereinigten Königreich vorgeschlagen, das wird nicht passieren“, sagte Tusk am Freitag zu seinem Entwurf für Verhandlungsleitlinien. Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Maltas Regierungschef Joseph Muscat sagte: „Es werden harte Verhandlungen, aber es wird kein Krieg.“Beide Seiten hätten ein Interesse daran, Freunde zu bleiben.
May hatte am Mittwoch den EUAustritt beantragt und damit das Brexit-Verfahren gestartet. Im Antrag erklärte sie, sie wolle die Trennung und die künftige Partnerschaft gleichzeitig klären. Bei dem Streit über die Reihenfolge geht es darum, in den Verhandlungen Druckmittel in der Hand zu behalten. Außerdem hat London besonderes Interesse an weiter engen Verbindungen zur EU.
Die EU will zuerst Rechtssicherheit für ihre Bürger und Unternehmen, wie es in Tusks neunseitigem Entwurf heißt. Insbesondere geht es um Aufenthalts- und Arbeitsrechte der rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien. Zweites Topthema ist die Schlussrechnung für Großbritannien für die milliardenschweren Verpflichtungen während der EUMitgliedschaft. Tusk nannte zudem als Priorität, eine „harte Grenze“zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland zu vermeiden.
Erst wenn die EU „ausreichenden Fortschritt“bei diesen sehr schwierigen Themen feststelle, könne in einer zweiten Phase über Grundlagen künftiger Beziehungen gesprochen werden. Das von May gewünschte fertige Freihandelsabkommen schon vor dem Brexit schließt die EU-Seite aus. Tusk und Muscat betonten in einer Pressekonferenz auf Malta auch, dass sich allein die EU-Seite vorbehält, das Startsignal für die zweite Phase der Gespräche zu geben.
Er betonte, obwohl die Verhandlungen schwierig und bisweilen konfliktbeladen würden, verfolge die EU doch keinen „bestrafenden Ansatz“. „Der Brexit selbst ist schon Strafe genug“, sagte Tusk. „Nach mehr als 40 Jahren zusammen, schulden wir es einander, alles zu tun, diese Scheidung so glatt wie möglich zu gestalten.“
Sondergipfel am 29. April
Die vorgeschlagenen Leitlinien werden am 29. April auf einem EU-Sondergipfel in Brüssel verabschiedet. Auf dieser Grundlage soll ein Mandat für EU-Unterhändler Michel Barnier beschlossen werden. Voraussichtlich wird die EU-Seite am 22. Mai startklar für die Verhandlungen sein.
May hatte in ihrem Brexit-Schreiben an Tusk auch eine weitere Sicherheitszusammenarbeit mit der EU nach dem Brexit angeboten. Teilweise wurde der Vorschlag aber so gelesen, dass sie ein günstiges Abkommen über die künftige Partnerschaft zur Voraussetzung mache. Großbritanniens Außenminister Boris Johnson widersprach am Freitag. „Ich möchte eines betonen: Der Einsatz des Vereinigten Königreichs für die Verteidigung und die Sicherheit dieser Region, Europas, ist bedingungslos und keine Verhandlungsmasse bei irgendwelchen Verhandlungen.“
Unterdessen hat die schottische Regierung am Freitag förmlich Gespräche über ein Unabhängigkeitsreferendum beantragt. Das Schreiben sei an die britische Premierministerin Theresa May gegangen, teilte Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon per Twitter mit. „Die britische Regierung hat entschieden, Schottland nicht nur aus der Europäischen Union zu führen, sondern auch aus dem Europäischen Binnenmarkt“, sagte Sturgeon in einer Videomitteilung zur Begründung.