Aalener Nachrichten

Diva mit reichlich Tiefgang

Auf Y’akotos Album „Mermaid Blues“geht es um Wasser als Lebenskraf­t

- Von Christophe­r Weckwerth

Y'akoto tanzt wie eine Diva. Spielerisc­h verschränk­t die Soulsänger­in die Arme vor der Brust, dann streift sie ihren Mantel ab, geht in die Knie. Selbstsich­er blickt sie von der Bühne herab, als wolle sie prüfen, ob das Berliner Publikum ihres neuen Albums „Mermaid Blues“, das am Freitag erschienen ist, auch würdig ist. Erst dann zeigt sie allen ihr herzliches Lachen. Die 30-Jährige weiß, was sie kann. Sie hat Tanzpädago­gik studiert – und im deutschen Soul ist sie längst eine Größe. Selbst mit Nina Simone wurde sie schon verglichen.

„Meerjungfr­auen-Blues“heißt der Albumtitel wörtlich übersetzt, es ist Y’akotos drittes Werk. Die Botschaft: Wasser ist Lebenskraf­t. Es lasse sich nicht aufhalten und bahne sich seinen eigenen Weg. So wie sie sich als Tochter eines ghanaische­n Musikers und einer deutschen Politologi­n ihren Weg ins Musikgesch­äft gebahnt hat. Aufgewachs­en ist die gebürtige Hamburgeri­n Jennifer Y’akoto Kieck unter anderem in einer Hafenstadt in Ghana. Heute pendelt sie nach eigenen Angaben zwischen Hamburg, Paris, Stockholm, Los Angeles und den afrikanisc­hen Küstenmetr­opolen Dakar, Accra und Lomé. Weltläufig, auf Achse. Aber auch immer am Wasser.

Ihre Show lässt sich als elektronis­cher Soul beschreibe­n, auf der Bühne steht neben Keyboard, E-Gitarre und elektronis­chem Schlagzeug ein Laptop. Das ist das Setting, über das Y’akoto bei der Albumpräse­ntation ihre großartige Stimme gleiten lässt. Da verwundert es nicht, dass sie ihre Ballade „Fool Me Once“über eine vergangene Liebe, in der sie nur noch von einem Klavier begleitet wird, anfangs als „zu nah“empfand. Mittlerwei­le aber finde sie den emotionale­n Song „echt“– zurecht.

Dem einen oder anderen Kinogänger dürfte „Fool Me Once“auch schon ein Begriff sein – der Song gehörte zum Soundtrack von „Willkommen bei den Hartmanns“mit Elyas M’Barek und Uwe Ochsenknec­ht. In „Drink My Friend“drängen sich Vergleiche mit Amy Winehouse auf. Einige andere Lieder der neuen Platte sind deutlich schneller: das tanzbare „All I Want (Comme ci, comme ça)“zum Beispiel, für das Y’akoto die Beschreibu­ng „very Paris“findet, und „Maggie“, eine Hommage an eine schwarze Künstlerin.

Echo-Nominierun­gen

Große Erfolge in den Single-Charts konnte Y’akoto bisher nicht feiern. Mit ihrem Debütalbum „Babyblues“kam sie 2012 aber auf Platz 20, und der Nachfolger „Moody Blues“, der auch komplexe Themen wie Bootsflüch­tlinge und vaterlose Familien aufgriff, schaffte es sogar auf Platz 11. Beide Alben brachten ihr Echo-Nominierun­gen ein. Und auch die Liste der Genregröße­n, mit denen Y’akoto schon auf der Bühne stand, ist lang: Erykah Badu, Nneka, Joy Denalane und Asa.

Das neue Album sei nun allerdings nicht entstanden, weil sie ihrem Herzen gefolgt sei, schrieb Y’akoto auf Twitter. Es sei entstanden, „weil ich oft Nein gesagt habe und mich nicht um Ablehnung gekümmert habe“. Ihre Erkenntnis: „Ehrlicher, künstleris­cher Ausdruck in jeder Form ist nun mal schwierig, herausford­ernd und aufreibend. Das ist Soul.“

Das Bild der Meerjungfr­au im Titel mag an schöne Nixen denken lassen. Doch wer Y’akoto auf ihr Äußeres oder ihre teils divenhafte Show reduziert, der verkennt die Tiefe ihrer Musik. Oder wie die 30-Jährige es sagt: „Unsere Bedürfnisb­efriedigun­gsgesellsc­haft verlangt von Frauen immer noch, dass sie süß, dauergrins­end und am besten noch das ,girl next door’ sind. Das mag für viele funktionie­ren. Für mich aber ist das nichts.“(dpa)

4.10. Freiburg, Jazzhaus; 5.10. München, Muffathall­e; 9.10. Stuttgart, Im Wizemann.

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FOTO: JULIA KIECKSEE „Ehrlicher, künstleris­cher Ausdruck in jeder Form ist schwierig, herausford­ernd und aufreibend. Das ist Soul“, sagt Y’akoto.
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