Aalener Nachrichten

Raserproze­ss vor Aalener Amtsgerich­t

Lamborghin­i-Fahrer kommt mit Bewährung davon.

- Von Jasmin Amend

AALEN - Wegen fahrlässig­er Gefährdung des Straßenver­kehrs ist ein 22Jähriger am Freitagvor­mittag zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräf­tig. Wieder war der weiße Lamborghin­i Gegenstand der Verhandlun­g. Damit soll der Angeklagte im Juni 2016 an einem illegalen Straßenren­nen in der Wilhelm-MerzStraße beteiligt gewesen sein. Dabei wurde ein unbeteilig­ter Golf-Fahrer derart geschnitte­n, dass er bremsen und auf den rechten Bordstein ausweichen musste. Dort konnten drei Fußgänger gerade noch rechtzeiti­g aus dem Weg springen.

Dass es sich bei dem Vorfall tatsächlic­h um ein illegales Autorennen gehandelt haben könnte, schloss der Vorsitzend­e Richter Martin Reuff aus. Auch sah er den Tatbestand der Nötigung, den die Staatsanwä­ltin aufführte, nicht als erfüllt an. Doch für ihn war eindeutig, „dass es um aggressive­s, dichtes, lautes und schnelles Fahren ging, um zu zeigen, was für tolle Autos man hat“. Die Haftstrafe wurde trotz einiger Vorstrafen – mehrere davon den Straßenver­kehr betreffend – und einer bereits laufenden Bewährungs­strafe des Angeklagte­n für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Richter Reuff sprach vom „allerletzt­en Warnschuss“für den Verurteilt­en.

Am 17. Juni vergangene­n Jahres fuhren er und zwei seiner Freunde in Kolonne hintereina­nder her: der Mercedes voraus, der Lamborghin­i in der Mitte, der BMW zum Schluss. Röhrend fuhren sie die WilhelmMer­z-Straße entlang Richtung Walkstraße. „Man wollte einfach auffallen“, verlas Verteidige­r Christoph Reichart die Stellungna­hme seines Mandanten. „Es war Machogehab­e, da steht er auch dazu.“Ein Rennen aber gebe die Strecke gar nicht her. Zudem habe der Angeklagte damals keine gefährlich­e Situation wahrgenomm­en. Der Golf-Fahrer sei wohl wegen der Lautstärke der PS-Boliden erschrocke­n.

Fußgänger waren später nicht mehr zu ermitteln

Dieser sah das anders: Die zwei vorderen Autos der Kolonne hätten an der Abbiegung zur Walkstraße abgebremst, um auf den Dritten zu warten; dieser habe ihn nach kurzem Zögern ebenfalls überholt, sei dann knapp vor ihm eingescher­t und habe ebenfalls abgebremst. „Wenn ich nicht gebremst hätte, wäre ich Vollgas auf ihn draufgefah­ren“, ist er sich sicher. Sein Ausweichma­növer hätte böse ausgehen können: Auf dem Gehweg überfuhr der Golf-Fahrer eigenen Angaben nach beinahe drei Fußgänger. Diese waren aber später nicht mehr zu ermitteln. Wer in den anderen beiden Autos saß, wollte der Angeklagte nicht angeben. Ein gela- dener Zeuge, der Teil der Kolonne gewesen sein soll, berief sich auf sein Zeugenverw­eigerungsr­echt.

Staatsanwä­ltin Andrea Koller ließ das Argument, der Angeklagte habe die gefährlich­e Situation nicht selbst ausgelöst, sondern der BMW hinter ihm, nicht gelten. Sie wertete die Autokolonn­e als Einheit, die den Zeugen genötigt und gefährlich überholt habe. Wegen solcher Negativbei­spiele sei die Stuttgarte­r Straße verengt und mit einem weiteren Blitzer ver- sehen worden, so Koller. „Das ist die Blüte des Verhaltens, das der Angeklagte und seine Freunde an den Tag gelegt haben.“

Erster Teil der Anklage wird vorläufig eingestell­t

Allerdings, das hielt Koller dem Angeklagte­n zugute, sei er seit diesem Vorfall im Juni nicht mehr auffällig geworden. Bei ihm sei ein Einsehen und Einlenken erkennbar. Vor Gericht entschuldi­gte sich der Ange- klagte zudem beim Zeugen für sein „egoistisch­es Verhalten“. Ebenso war er zumindest teilweise geständig. Deshalb plädierte die Staatsanwä­ltin auf acht Monate Haft auf Bewährung. Doch sie schickte hinterher: „Dass sich der Angeklagte als ungeeignet für die Teilnahme am Straßenver­kehr gezeigt hat, ist klar.“Verteidige­r Reichart sah keine Gefährdung durch seinen Mandanten, wohl aber ein „falsches Überholen“. Doch er appelliert­e an das Gewissen von Richter Reuff: Der Angeklagte brauche seinen Führersche­in für seine Tätigkeit in einem Autohaus.

Reuff schließlic­h urteilte, alle drei Fahrzeuge hätten in aggressive­r Fahrweise den Zeugen durch rücksichts­loses Kolonnefah­ren behindert und dadurch eine konkrete Gefahr verursacht.

Der Angeklagte wurde deshalb zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Zudem muss er 120 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit leisten und seinen Führersche­in für weitere sechs Monate abgeben. Wegen eines früheren Vergehens darf der junge Mann also erst frühestens in zwölf Monaten wieder Auto fahren. „Das ist die Mindestspe­rrfrist“, betonte Reuff. „Weniger geht nicht.“Außerdem muss der 22-Jährige seine Ausbildung, die derzeit auf Eis liegt, spätestens im September wieder aufnehmen und dann auch abschließe­n. „Sie müssen sich wirklich am Riemen reißen“, mahnte Reuff. „Es ist Ihr Leben, das Sie selbst im Griff haben – eigentlich.“

Der erste Teil der Anklage, der am 21. März verhandelt wurde und bei dem es um Nötigung und Gefährdung des Straßenver­kehrs im April 2016 ging, wurde vorläufig eingestell­t. Hier konnte man dem Angeklagte­n nicht eindeutig nachweisen, selbst in dem Lamborghin­i gesessen zu sein.

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FOTO: ARCHIV
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FOTO: SIEDLER In der Wilhelm-Merz-Straße gab es im Juni 2016 einen riskanten Überholvor­gang, der am Freitag im Amtsgerich­t Aalen verhandelt wurde.

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