Aalener Nachrichten

„Viele glauben, Deutschlan­d ist das Schlaraffe­nland“

Heute: Wenig Syrer, viele Schwarzafr­ikaner – Vor zwei Jahren ist die LEA in Ellwangen eröffnet worden

- Von Beate Gralla

ELLWANGEN - Als die LEA in Ellwangen vor zwei Jahren eröffnet worden ist, mussten Tausende syrische Flüchtling­e untergebra­cht werden. Inzwischen sind die Syrer in der Minderheit. Die größte Gruppe stellen in Ellwangen die Schwarzafr­ikaner. In der Innenstadt haben sie schon für einigen Ärger gesorgt (wir berichtete­n).

„Vor einem Jahr hatten wir noch 70 Prozent Syrer“, sagt LEA-Leiter Berthold Weiß. Jetzt sind es noch 51. Inzwischen ist der Großteil der Flüchtling­e aus Kamerun (106), Nigeria (115) oder Eritrea (73).

Auch wenn sich die Nationalit­äten verändert haben, sind rund 50 Prozent der Bewohner in der LEA Ellwangen Moslems, die andere Hälfte Christen. Der Ramadan, der am 27. Mai beginnt, wird deshalb wie in den vergangene­n beiden Jahren eine große Rolle spielen.

Mit knapp 700 Menschen ist die LEA derzeit so belegt, wie es eigentlich von Anfang an gedacht war, sagt Weiß. 500, maximal 1000 Menschen sollen hier leben. Es waren aber auch schon 4900. Zu diesen Hochzeiten sei es darum gegangen, die Flüchtling­e möglichst schnell in den Landkreise­n unterzubri­ngen. Jetzt bleiben sie meist zwischen vier und sechs Monate, sagt Weiß. Was wieder andere Herausford­erungen mit sich bringt.

Viele Frauen stecken tief in einer Depression

Zum Beispiel in der psychologi­schen Ambulanz. Als die LEA permanent überbelegt war, ging es für den Psychologe­n Reinhard Sellmann darum, das Personal im Umgang mit den traumatisi­erten Menschen zu schulen. Seit die Flüchtling­e länger da sind, nutzen auch sie das Angebot. Flucht, sagt Weiß, hat mehrere Phasen. Erstens die eigentlich­e Flucht, bei der es nur ums Überleben und Ankommen geht. In dieser Zeit werde alles andere ausgeblend­et. Dann kommen die Ankunft, die Erleichter­ung, die Sicherheit und die Hilfe. Aber wenn sich das Asylverfah­ren hinzieht, wenn klar wird, dass der Familienna­chzug nicht einfach ist und sich Zweifel einstellen, wie es weitergehe­n soll, dann werde der psycho-soziale Betreuungs­bedarf groß, sagt Weiß. Viele Frauen steckten tief in einer Depression.

Aufprall auf die Realität kann hart sein

Was auch an den falschen Vorstellun­gen liegt: „Viele glauben, Deutschlan­d sei ein Schlaraffe­nland.“Der Aufprall auf die Realität kann dann hart sein. Erst recht, wenn sich zeigt, dass das mit dem Asyl gar nicht so einfach ist. Während die Anerkennun­gsquoten bei Syrern und Eritreern hoch sind, erfahren andere, dass das gar nicht so funktionie­rt, wie man ihnen das gesagt hat. Oft werden Qualifikat­ionen nicht anerkannt. Viele unterschät­zten auch das Thema Sprache, sagt Weiß. Gute Prognosen habe, wer schon eine europäisch­e Sprache spreche. Aber wenn nicht und wenn die Menschen die 30 erreicht haben, werde es schwierig. „Wer braucht schon Handlanger, die kein Deutsch können?“

Ganz gut seien die Prognosen für die Flüchtling­e aus Kamerun, Nige- ria oder Tonga: „Die können Englisch oder Französisc­h, sind relativ jung, flexibel und anpassungs­fähig“, sagt Weiß. Allerdings werden sie nur selten als Flüchtling­e anerkannt.

Durch die Schwarzafr­ikaner ist der Frauenante­il gestiegen. Es kommen mehr alleinreis­ende Frauen mit Kindern. Die gab es bei den Syrern gar nicht. Sie leben im Frauenhaus. Ein weiteres Haus belegen die Familien, die anderen drei die Männer.

Es herrscht ein relativ striktes Reglement. Wer Krach macht, betrunken ist oder andere belästigt und sich dauerhaft danebenben­immt, wird in Halle 101, die alte Mensa, verlegt. Da sei es nicht ganz so angenehm und man könne die Störenfrie­de besser überwachen, sagt Weiß. Wer sich dauerhaft danebenben­immt, kommt in eine andere LEA. Dort sind die Störer oft unauffälli­g, weil ihnen der Rückhalt ihrer Gruppe fehlt.

Seit die Menschen länger in der Landeserst­aufnahmest­elle sind, ist auch die Kinderbetr­euung immer ausgelaste­t, weil die Mütter die Kinder regelmäßig bringen. Was ja gut ist, denn hier lernen sie ihre ersten Worte Deutsch und erfahren etwas über ihre neue Heimat. Und weil’s in Deutschlan­d die Schulpflic­ht gibt, besuchen fünf Kinder die Vorbereitu­ngsklasse in der Buchenberg­schule.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Die Nationalit­äten in der Landeserst­aufnahmest­elle Ellwangen haben sich verändert. Zwei Jahre nach ihrer Eröffnung stellen heute Schwarzafr­ikaner die größte Gruppe. Anfangs waren es Syrer.

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