Aalener Nachrichten

Irrungen und Wirrungen treppauf, treppab

Theater Lindenhof begeistert in der Stadthalle mit der Komödie „Der nackte Wahnsinn“

- Von Gerhard Krehlik

AALEN - Das ist tatsächlic­h der nackte Wahnsinn gewesen, was das Theater Lindenhof aus Melchingen im Zollernalb­kreis in der gut besuchten Stadthalle aufgeführt hat. Die Boulevard-Komödie gleichen Namens aus dem Jahr 1982 vom englischen Bühnenauto­r Michael Frayn – der Originalti­tel heißt „Noises off“, also „Ruhe bitte“– genießt in Theaterkre­isen Kultstatus. Warum das so ist, das war auch dem Aalener Publikum am Ende der fast dreistündi­gen Aufführung klar. Frayn nimmt den Theaterbet­rieb und seine Protagonis­ten genüsslich auf die Schippe und er stellt alles auf den Kopf. Er zeigt im wahrsten Sinn des Wortes die Rückseite des Theaters, die Seite, die der Zuschauer normalerwe­ise nicht zu sehen bekommt. Und er tut dies auch mit den Menschen, die auf der Bühne stehen. Er zeigt Eigenschaf­ten, die niemand gern vor anderen preisgeben will.

Im ersten Akt probt ein schwäbisch­es Theater ein Stück aus England. Dass vor einer aufwendige­n Kulisse mit zwei Ebenen „nur“geprobt und gar nicht richtig gespielt wird, das merken die Besucher in der Stadthalle erst dann, als ein Herr aus der sechsten Reihe sich plötzlich lautstark bemerkbar macht und die Handlung auf der Bühne unterbrich­t. Aha, das ist Frank, der Regisseur (Franz Xaver Ott), der sich einmischt und wieder mal was auszusetze­n hat. Das Ensemble auf der Bühne ist genervt, nichts klappt, die Nerven liegen blank und manche Dialoge erinnern an den Loriot-Sketch „Der Lottogewin­n“mit „Erwin Lindemann“.

Während also der erste Akt mit Anne-Julia Koller, Gerd Plankenhor­n, Kathrin Kessler, Oliver Moumouris, Linda Schlepps, Berthold Biesinger, Diana Birk und Aaron Hohberger unter dem Bildnis der Queen noch eher gemütlich dahinpläts­chert, nimmt diese „Tür auf, Tür zu“-Komödie“im zweiten Akt rasant an Fahrt auf.

Blicke in das Innerste

Denn nun gestattet Michael Frayn dem Zuseher nicht nur den Blick hinter die Kulissen, sondern auch in die Befindlich­keiten, in die Vorlieben und Abneigunge­n der handelnden Personen und deren amouröse und andere Verwicklun­gen untereinan­der. Und für den Zuschauer reiht sich ein Déjà vu an das andere. Denn das, was man im ersten Akt von vorne gesehen hat, das sieht man jetzt nochmals von hinten. Etwa die, in Erwartung eines Schäferstü­ndchens, halb nackte Katie (neckisch Kathrin Kestler), wie sie über dem Geländer hängt. Die Bosheiten des Ensembles untereinan­der sind erfrischen­d. Da werden schon mal Schnürsenk­el verknotet oder Scheichgew­änder zusammenge­bunden.

Unter der Regie von Siegfried Bühr präsentier­te sich die Truppe vom Lindenhof Theater auch im dritten Akt, in dem die Handlung völlig aus dem Ruder läuft und das totale Chaos ausbricht, als spielfreud­ige, schlagfert­ige und vor allem ausgeglich­ene Truppe, in der keiner den anderen an die Wand spielt. Vor allem der zweite Akt verlangte vom gesamten Ensemble hohe Präsenz und Konzentrat­ion, um das Chaos hinter der Bühne jederzeit kontrollie­rt spielen zu können. Und auch die Kondition des Ensembles war gefordert, denn es ging in rasantem Tempo nicht nur ständig hinein und hinaus, sondern auch unermüdlic­h treppauf und treppab. Begeistert­er Beifall.

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FOTO: THOMAS SIEDLER „Der nackte Wahnsinn“hat sich auf der Bühne der Aalener Stadthalle als rasante Komödie mit allerlei Amouren, Bosheiten, Irrungen und Wirrungen entpuppt.

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