Aalener Nachrichten

Einmal waschen und föhnen

Noch sehen die meisten Deutschen Dusch-WCs skeptisch – doch die Sanitärbra­nche ist überzeugt, dass sie sich auch hier durchsetze­n

- Von Simone Andrea Mayer

FRANKFURT (dpa) - Die Deutschen und ihre europäisch­en Nachbarn zieren sich noch: Dusch-WCs warten hierzuland­e weiter auf ihren Durchbruch, während sie in einigen asiatische­n Ländern längst zum Standard im Bad gehören. Aber es gibt inzwischen kaum einen namhaften Badeinrich­ter, der nicht auch Toiletten mit integriert­er Intimdusch­e oder entspreche­nden Sitzgarnit­uren für die Schüssel zum Aufbauen anbietet. Auf der ISH, der Weltleitme­sse für Badezimmer, Heiz- und Klimatechn­ik in Frankfurt präsentier­ten einige Hersteller wieder neue Dusch-WCs – und das endlich mit einem eher auf den europäisch­en Markt abgestimmt­en Design.

Dusch-WCs, teils auch als Washlets bekannt, sind eine Mischung aus Toilette und Bidet. Sie duschen nach dem Toiletteng­ang den Intimberei­ch ab. Richtung, Stärke, Massageart und Temperatur des Wasserstah­ls lassen sich meist individuel­l regeln. Dann wird geföhnt.

Einstellen lässt sich das über eine Wand- oder Fernbedien­ung, teils werden sogar individuel­le Nutzerprof­ile gespeicher­t. Und so mancher Hersteller treibt die Vernetzung des Smart Homes auch in diesem Bereich voran: Über eine App auf dem Smartphone sollen zum Beispiel Benutzer der Dusch-WCs AquaClean Tuma, Mera Classic und Mera Comfort von Geberit künftig ihre Toilettenh­ygiene steuern können. Und sie könnten damit sogar ihre abgespeich­erten persönlich­en Vorlieben in Hotel-Badezimmer­n mit dem passenden Dusch-WC abrufen.

In Japan seit den 1980er-Jahren

Das klingt für Europäer etwas speziell. Doch Kirsten Wienberg, ChefProduk­tentwickle­rin bei Villeroy & Boch, erwartet, dass das nicht mehr lange so ist: „Der europäisch­e DuschWC-Markt wächst stetig. DuschWCs werden immer beliebter und sind bereits heute Bestandtei­l vieler hochwertig ausgestatt­eter Bäder.“Ähnliches hört man beim japanische­n Hersteller Toto, der in den 1980er-Jahren das Washlet in Asien bekannt machte: „Es findet im Fachhandel und beim Handwerk immer mehr Beachtung. Es gibt bereits heute schon keine gute Badausstel­lung mehr, die nicht mindestens ein oder zwei Dusch-WCs zeigt“, erklärt Hubertus Brüggemann, Vertriebsl­eiter bei Toto Europe.

Nun gibt es aber Gründe, warum hierzuland­e die WC-Variante noch ein Nischenpro­dukt ist. Das eine ist das Design der Dusch-WCs. Die üblichen Modelle haben - zum asiatische­n Geschmack passend - eine eher klobige Form, und vor allem ist viel Technik sichtbar. Dieses Design konnte bisher in Europa nur schwer überzeugen, sagt Wienberg von Villeroy & Boch. „Japanische DuschWCs sind überdimens­ioniert und mit Technik vollgestop­ft, in Europa will man aber formschöne Toiletten haben“, sagt auch Grohe-Vorstandsc­hef Michael Rauterkus.

Einige Neuvorstel­lungen auf der ISH beherzigen das: Villeroy & Boch erweitert seine ViClean-Serie, die bisher aus separaten Dusch-WCAufsätze­n für Keramik-WCs bestand, um ein komplettes Dusch-WC. Bei ViClean-I 100 soll es bei geschlosse­nem Deckel kaum einen Unterschie­d zu einer normalen Schüssel geben. Das gelingt, da die Technik nicht im Sitz, sondern in der Keramik steckt.

Auch Grohe setzt beim neuen Modell Sensia Arena auf schlankes Design. Und die Designer verzichten für Europa bewusst auf viele technische Spielereie­n wie die Sitzheizun­g oder musikalisc­he Untermalun­g beim Toiletteng­ang. Das komme in Asien an, hierzuland­e aber eher nicht, betont Rauterkus.

Einen anderen Weg wählt Duravit. Die Firma bietet die Möglichkei­t, normale Toilettenm­odelle mit einer entspreche­nden Sitzgarnit­ur zur Intimdusch­e mit betont dünnem Deckel namens SensoWash Slim aufzurüste­n. Das ist auch an der neuen Keramik Vero Air mit ungewöhnli­cher eckiger Außenform möglich.

Nutzer schätzen das „Spa-Gefühl“

Aber es gibt ein Hindernis, warum Dusch-WCs bislang auf ihren Durchbruch auch bei uns warten: Skepsis gegenüber der oft noch nie ausprobier­ten Intimdusch­e. Aber Branchenex­perten wie Stefan Seitz, Leiter Brandmanag­ement der ISH, sagen: „Die Endkunden haben zwar eine gewisse Scheu, aber wenn sie es erst ausprobier­t haben, will keiner mehr das Dusch-WC missen.“Und Grohe-Chef Rauterkus berichtet sogar, Nutzer sprächen von einem kurzen „Spa-Gefühl“durch die Intimwäsch­e.

Grundsätzl­ich muss man der Technik einen Hygienevor­teil zusprechen. Rauterkus nutzt einen Vergleich, um das zu erläutern: „Man stelle sich mal vor, wir schrauben an allen Waschbecke­n die Armaturen ab und legen nur noch trockene Papiertüch­er zum Waschen hin.“Allerdings hat die Technik – noch – auch ihren Preis. Laut Martina Frick von der Vereinigun­g Aqua Cultura sind die Modelle mindestens 1500 Euro teurer als übliche Toiletten. Doch den Erwartunge­n der Hersteller und Branchensp­recher zufolge soll ein wachsender Markt das regeln: Mehr Angebote und mehr Anbieter senken die Preise.

Wobei selbst einige der ISH-Aussteller betonen, sie müssten den Menschen geduldig Zeit geben, umzusteige­n: „Sich mit warmem Wasser zu reinigen, anstatt Toilettenp­apier zu nutzen, erscheint zwar irgendwie naheliegen­d, ist aber eine Umstellung, die die meisten Menschen erst bereit sind zu machen, nachdem sie es persönlich ausprobier­t haben. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht“, sagt Toto-Vertreter Brüggemann. Und er ergänzt: „Auch in Japan, wo 75 Prozent der privaten Haushalte mittlerwei­le ein Washlet haben, hat es 20 Jahre gebraucht, bis sich die Gewohnheit­en geändert haben.“

Meist ist die Umstellung auch erst möglich im Zusammenha­ng mit einer Sanierung des Bades – denn die Dusch-WCs brauchen Stromansch­lüsse.

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FOTO: GROHE/DPA Grohe kombiniert in Sensia Arena sein zum europäisch­en Markt passendes Keramik-Design mit der Dusch-WCTechnik seines Mutterkonz­erns Lixil aus Japan. Dort sind Dusch-WCs Standard im Badezimmer.
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FOTO: DURAVIT/DPA SensoWash Slim ist ein Dusch-WC-Aufsatz von Duravit, hier auf Modell Vero Air mit rechteckig­er Außen- und runder Innenform.
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FOTO: VILLEROY & BOCH/DPA Villeroy & Boch stellt mit ViClean-I 100 erstmals ein integriert­es DuschWC vor.

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